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Kulturvolk Magazin

Kulturvolk Blog Nr. 46

Kulturvolk Blog | Reinhard Wengierek

von Reinhard Wengierek

30. Juli 2013

George & Gründgens


Sie war zweite Wahl. Gustaf Gründgens hatte zuerst Pamela Wedekind gefragt; die alte Jugendfreundin, der Schwarm seiner Ex-Gattin Erika Mann. Doch Pamela wollte nicht, gab aber einen Tipp: „Frag mal die Hoppe.“ Er tat es, sie sagte „Ja!“, und fertig war das Traumpaar im Göring-Goebbels Theater-Deutschland. Die Feier im Juni anno 1936 – im kleinen Kreis – war auf Gut Zeesen bei Berlin und ziemlich kurz. Gleich nach dem Lunch verschwand der Chef des Preußischen Staatstheaters ins Bett zur Ruhe. Abends war Vorstellung am Gendarmenmarkt. Gründgens als Hamlet. Nach der Aufführung ab nach Hause, und ein jeder für sich. Man wohnte weiterhin getrennt. Die Kollegin Angetraute hatte Muse genug, in der Hochzeitsgabe zu schmökern: Gründgens‘ Filmdrehbuch zu Fontanes „Effi Briest“. Knapp drei Jahre später war Premiere. Juste führte Regie, Janni in der Titelrolle. Das Publikum raste. Goebbels nickte gnädig. Er hasste den Göring-Günstling mit seinem „ganzen schwulen Laden“.

 

„Wir zollten dem Teufel Tribut, ohne ihm unsere Seele zu verkaufen“, rechtfertigte sich Gründgens nach 1945. Die Publizistin Carola Stern ging in ihrem letzten Buch diesem poetisch geschwollenen Gründgens-Satz ganz nüchtern und faktenreich nach; Titel: „Auf den Wassern des Lebens, Gustaf Gründgens und Marianne Hoppe“ (Kiepenheuer & Witsch).

 

Carola Stern (1925-2006), als Jugendliche selbst glühende Nazisse, dann kurz kommunistisch-euphorisch, dann Flucht in den Westen, später SPD-Anhängerin, die Stern kannte als Zeitzeugin nur zu gut „das Dilemma“ der Verstrickten und Belasteten, die in einem verbrecherischen System glanzvoll Karriere machten. „Bei dem Versuch, Menschen in einer Diktatur gerecht zu werden, also weder zu verteidigen, was nicht verteidigt werden darf, noch zu verurteilen, ohne abzuwägen, da steht ein jeder in einem Gestrüpp von Unverständnis, Ratlosigkeit, Empörung, von Zweifel, Unsicherheit, Verständnis.“

 

Gerade in der Zusammenschau der beiden exemplarischen Künstler-Existenzen (mit bedeutenden Nachkriegs-Karrieren) gelang es der Stern, mehr Licht als bisher in besagtes „Gestrüpp“ zu bringen. „Man hätte gehen sollen“, gestand die Hoppe nüchtern. Gründgens sprach blumig vom Ringen mit dem Teufel – das Buch leuchtet den Unterschied aus.

 

Das Sternsche Buch kam mir immerzu in den Sinn jetzt vorm Fernseher mit Joachim Langes Film „George“, einer wie ich finde problematischen Vermischung von dokumentarischem Material und Spielszenen (der berühmte Sohn Götz spielt den berühmten Vater Heinrich). Die Filmemacher hielten gerade diesen Mischmasch für besonders „objektivierend“. Mich irritierte das nur; fand es zuweilen gar unfreiwillig komisch. Zum tieferen Verständnis des berüchtigten "Dilemmas" des „NS-Künstlers“ war der Film kein Beitrag. Beflissen wiederholt er das Mantra aller Betroffenen wie Albers, Rühmann, Werner Krauß oder eben Gründgens und George: „Wir wollten halt spielen“; eine Alternative sahen sie natürlich nicht.

 

Warum das so war und wie die fatale Melange aus Kompromissen, Mitmacherei und klammheimlichem Widerstand immer unheimlicher und auswegloser wurde, da lohnt ein Griff in die Bibliothek: Nach Werner Moses‘ George-Biographie „Ein Mensch aus Erde gemacht“ von 1998.

 

Die ist auf 460 Seiten gespickt mit historischen Dokumenten gerade dadurch der George-Tragödie dicht auf der Spur. Und die bestand eben nicht im elenden Tod des kränkelnden Stars im Gefängnis der sowjetischen Besatzer, denen er sich durch Flucht beispielsweise nach Schweden hätte entziehen können; wie es auch geplant war für den 13. April ’45 (diverse Kollegen im Machtbereich der US-Besatzer etwa bekamen in Entnazifizierungsverfahren relativ schnell Persilscheine als blasse NS-Mitläufer). Aber George glaubte in schier unglaublicher Naivität, dass ihm keiner was könne, da er unschuldig sei. Seine wahre Tragödie, die bestand im Pakt mit dem Bösen – was ihm nicht schuldhaft bewusst war. -- Hier hätte Joachim Lange sehr viel tiefer bohren und breiter graben sollen. Überhaupt: Wirklich aufklärerischer wäre da eine komplexe, reine George-Doku. Mit dem Auftreten von Götz höchstens als Zeitzeuge und nicht als Papas unterkomplexem Nachspieler in ausgestopften Kostümen und angeleimten Bärten.   Oder auch und womöglich noch besser gewesen wäre die (künstlerische) Fiktion, das Drama, gleichwohl die komplizierteste Annäherung an zerrissene Persönlichkeiten. Wie weiland Istvan Szabo mit seiner tief ins Psychologische ausgreifenden Fallstudie, dem „Mephisto“-Spielfilm über Gründgens.

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