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Kulturvolk Magazin

Kulturvolk Blog Nr. 459

Kulturvolk Blog | Ralf Stabel

von Ralf Stabel

27. November 2023

Heute: 1. Schlosspark Theater – „Die Maria und der Mohamed“ / 2. Die Dauerausstellung im Käthe-Kollwitz-Museum / 3. Georg Kolbe Museum – „Veranstaltung, Publikation, Ausstellung“

1. Schlosspark Theater - Früher war das anders

"Die Maria und der Mohamed" im Schlosspark Theater - v. l. Julia Bremermann, Peggy Lukac, Marie Schöneburg und Mohamed El-Asmer © DERDEHMEL/Urbschat

Bevor man den Zuschauersaal betritt, kommt man an Schau-Tafeln vorbei, die zum einen auf die bewegte Geschichte des Hauses aufmerksam machen und zum anderen Besonderheiten enthalten wie Autogramme berühmter Persönlichkeiten im Original. Da steht dann Elisabeth Bergner gemeinsam mit Zarah Leander in einer Reihe. Das ist ein besonderes Zusammentreffen zweier Welten, die einst nicht zusammen gehörten.

Als Einstimmung für den Abend ist das aber durchaus geeignet. Denn in
„Die Maria und der Mohamed“ geht es genau darum: Maria (Peggy Lukac) verwirft die dringende Bitte ihrer Tochter (Julia Bremermann), sich doch bezüglich der Pflegestufe etwas gebrechlicher anzustellen als sie in Wirklichkeit sei. Das geht schief.
Die Tochter engagiert sich ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe und kümmert sich daher um Mohamed
(Mohamed El-Asmer), einen stillen jungen Mann. Im Beisein von Mohamed tauschen dann Mutter und Tochter sämtlich Vorurteile und Klischees aus, die es zum Thema Flüchtlinge und Migration gibt. Das ist hochaktuell, mit feinem Humor inszeniert und dargestellt (Text und Regie: Folke Braband). Die vorwurfsvolle Frage der Mutter zum Sinn des töchterlichen Engagements kontert diese damit, dass die Mutter sich nach dem letzten Krieg ja auch über die Maßen engagiert habe, weil es eben auch viel wiedergutzumachen gab. Nach diesem „Hinweis“ auf die NS-Zeit herrscht eisiges Schweigen. Sprachlos geht man auseinander. „Früher war das anders“, fasst Maria ihr Unverständnis und ihre Ratlosigkeit der heutigen Zeit und deren untauglichen Problem-Lösungen gegenüber zusammen.

Mohamed sitzt vorerst unbeteiligt dabei und dient so als menschliche Projektionsfläche für Verwerfungen in Familie und Gesellschaft.

Dann kommt es aber wie es kommen muss: die Mutter stürzt schwer, eine Pflegekraft muss her. Hier erscheint Super-Nancy
(Marie Schöneburg) im Gestus der Cindy aus Marzahn. Marias Ablehnung ist vorprogrammiert und geht schließlich so weit, dass sie der Pflegerin absichtlich die Hand verbrüht. Diese flieht. Und so wendet sich Maria dem inzwischen bei ihr wohnenden und sie unterstützenden Mohamed zu. Im Laufe der Zeit werden seine Deutsch-Kenntnisse besser, die beiden lernen sich besser kennen und verstehen, singen und tanzen miteinander. Ein ungleiches, aber doch irgendwie ein Paar.

Dieses
bereits 2020 in Bern uraufgeführte Stück trifft die Lebenswirklichkeit des Publikums: es werden Generationskonflikte, die Sorge um die Eltern, das Nichtwahrhabenwollen des Alterns, Angst vor dem Fremden, aber auch die Einsicht, helfen zu müssen, angesprochen. Die Pointen im Text und in der Inszenierung sind so treffend platziert, dass das Publikum in der Vorstellung, die ich besucht habe, aus vollem Halse und von ganzem Herzen gelacht hat.

Der Schluss ist über den Schluss hinaus bemerkenswert:
Für Mohamed gibt es keine Lösung. Sein Asyl-Antrag wird abgelehnt. Verzweifelt erzählt er Maria seine Geschichte und gesteht, dass er seine Herkunft verschwiegen hat und ihn furchtbare Gewissensbisse quälen, weil er den ihm anvertrauten Sohn seines Bruders bei der Flucht verloren hat. Maria rät ihm, mit dem Bruder seinen Frieden zu machen. Sie schläft dabei für immer ein. Sie hatte absichtlich von ihr eigens dazu vergiftete Makronen gegessen. So gibt es für Maria – auch das ist ein hochaktuelles Thema – die von ihr erwünschte selbstbestimmte Erlösung.
Ende.
Maria kann in Frieden sterben. Mohamed möchte im Frieden leben. Ob er das irgendwann irgendwo kann?

Wenn Sie in dieser besinnlichen Zeit noch keine Idee für einen gemeinsamen familiären Abend-Ausflug haben, empfehle ich Ihnen den Besuch von „Die Maria und der Mohamed“.

Schlosspark Theater, bis zum 26. Dezember. Hier geht’s zu den Karten.


***

 

2. Käthe-Kollwitz-Museum - Nie wieder Krieg!

Die Freiwilligen, Blatt 2 der Folge »Krieg«, 1921/22 Holzschnitt, Kn 173 IV b
Die Freiwilligen, Blatt 2 der Folge »Krieg«, 1921/22 Holzschnitt, Kn 173 IV b

Am 19. November, am Volkstrauertag, gedachte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gemeinsam mit Kronprinzessin Victoria von Schweden in der Neuen Wache in Berlin, der zentralen Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland, der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. Er und viele andere verneigten sich dort vor der Käthe-Kollwitz-Skulptur Pietà.

Warum gerade diese Künstlerin und dieses Werk exemplarisch für die Darstellung von Leid durch Krieg und Gewalt steht, kann man im Käthe-Kollwitz-Museum am Schloss Charlottenburg erfahren. In den modernen Räumlichkeiten sind die Stationen ihres künstlerischen Schaffens neu kennenzulernen.

Die Titel einiger Werke von Käthe Kollwitz (1867-1945) sprechen für sich:
Tod, Ende, Zertretene, Krieg, Schlachtfeld, Die Gefangenen, Mutter mit totem Sohn, Vergewaltigt Aber da sind auch Aufruhr und Losbruch. Expressiv zeigt sie Krieg und Elend und vor allem, was es für die Familien und dort für die Schwächsten, die Kinder, bedeutet. Gefallen zeigt zum Beispiel nicht den „Heldentod im Felde“, sondern die herzzerreißende Szene, wenn die Frau zuhause die Nachricht erfährt und ihre Kinderschar an ihr zerrt, weil sie den Grund des Klagens der Mutter nicht weiß, aber Furchtbares ahnt.

So ist es in ihrem Werk vor allem die Selbstverständlichkeit und Alltäglichkeit des Todes in den Familien der Armen, die uns erschreckt und erschüttert. Sie kannte die Lebenswirklichkeit der Menschen.

„Ich will wirken in dieser Zeit“, lautete ihr Bekenntnis. Gemeinsam mit ihrem Mann, dem Arzt Dr. Karl Kollwitz, wohnte sie im Arbeiter-Bezirk Prenzlauer Berg. Die damalige Weisenburger Straße trägt heute den Namen Kollwitz. Im zum Schickimicki-Quartier gentrifizierten Prenzlauer Berg erinnern ebenso der nach ihr benannte Platz und die auf ihm befindliche Skulptur des Bildhauers Gustav Seitz an sie. In der Prenzlauer Allee trägt ein Ärztehaus den Namen von Dr. Karl Kollwitz.

Ein zweites ikonografisches Werk neben der
Pietà ist ihr Plakat Nie wieder Krieg, das sie 1924 schuf, in einer Zeit, die wir heute als „Zwischenkriegszeit“ bezeichnen. Über die Aktualität dieses Werkes gibt es wohl keine Diskussion.

Sehr wohl gab es Diskussionen um die 1937 geschaffene
Pietà in der Neuen Wache. Nicht alle Opfergruppen sahen sich durch sie dort repräsentiert. Käthe Kollwitz trauerte mit ihr um den Sohn Peter, der als Freiwilliger 18jährig im 1. Weltkrieg gefallen war.

Auch eine Diskussion um die Darstellung und damit Sichtbarmachung von Kriegsverursachern wäre wichtig gewesen, um nicht nur die Folgen, sondern vor allem die Ursachen von Krieg und Gewalt zu hinterfragen.
Aber dafür ist es nie zu spät. Ein Besuch im Käthe-Kollwitz-Museum könnte der Anfang sein.

Im Käthe-Kollwitz-Museum erhalten Kulturvolk.Mitglieder ermäßigten Eintritt.


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3.Georg Kolbe - Neues zur Person und im Museum

Lin May Saeed, Bee Relief / The Liberation of Animal from their Cages VII, 2018  © Privatsammlung
Lin May Saeed, Bee Relief / The Liberation of Animal from their Cages VII, 2018 © Privatsammlung

Im September 2022 gab es die Tagung „Georg Kolbe im Nationalsozialismus. Kontinuitäten und Brüche im Leben, Werk und in der Rezeption“ (mehr dazu im Blog 408 vom 19. September 2022). Nun liegt die Dokumentation dieser interessanten Veranstaltung vor, herausgegeben von Elisa Tamaschke und Julia Wallner. Am 2. Dezember wird sie um 18 Uhr im Georg-Kolbe-Museum der Öffentlichkeit vorgestellt.

Was nun an Ergebnissen vorliegt, ist von Bedeutung. Neben den Herausgeberinnen und
der Leitung des Museums wird auch Berlins Kultursenator Joe Chialo sprechen. Das ist für eine Buch-Präsentation schon etwas Besonderes. Warum?

Achtzehn Autor*innen haben anhand der erweiterten Dokumentenlage zusammengetragen, was es Neues zu Georg Kolbe und seinem Leben und Wirken in der Zeit des Nationalsozialismus zu sagen gibt. Und das dürfte nicht nur Wissenschaftler*innen, sondern alle an Kunst Interessierten neugierig machen. In der Ankündigung heißt es: „Die nun publizierten Aufsätze erweitern die jüngsten Untersuchungen zu Künstlerbiografien im NS und deren oftmals bruchlosen Übergang in die Nachkriegszeit (z. B. Emil Nolde, Liste der „Gottbegnadeten“) um einen Meilenstein, der die kunsthistorische Forschung zur Klassischen Moderne in Deutschland und zur Skulpturgeschichte dieser Zeit auf eine neue Grundlage stellt.“

Möglich wurden diese neuen Forschungen, weil 2020 – nach dem Tod der Enkelin Georg Kolbes – bis dahin unbekannte Dokumente aus Kolbes Nachlass an das Museum in Berlin kam:
Über 3.000 Briefe und Geschäftspapiere, Kalender und Notizbücher aus dieser Zeit. Man spricht im Museum von einem „sensationellen Zugang“. Und das ist, wie der Band nun zeigt, nicht zu viel versprochen.

Zusammenfassend wird festgehalten: „Viel stärker als bisher dokumentiert war, hat Georg Kolbe sich den nationalsozialistischen Machteliten angedient.“ Aber was bedeutet diese Erkenntnis nun für die Arbeit des nach ihm benannten Museums?

Es sei „eine Verpflichtung gegen
über der Öffentlichkeit und der Wissenschaft, aber auch eine Herausforderung gegenüber der Geschichte der eigenen Institution“, heißt es dazu vorbildlich und verantwortungsbewusst aus dem Hause Kolbe.
Eine ausführliche Besprechung des Buches folgt nach der Präsentation.


Wer die Menschen kennt, liebt die Tiere – Zur Aktuellen Ausstellung

Derzeit gibt es noch bis zum 25. Februar 2024 die Ausstellung „Lin May Saeed. Im Paradies fällt der Schnee langsam, Ein Dialog mit Renée Sintenis“ zu sehen. Ausgangspunkt dieser Gegenüberstellung der Werke von Lin May Saeed (1973-2023) und Renée Sintenis (1888-1965) ist, dass die Darstellung von Tieren im Werk beider ein zentrales Thema darstellt.

Renée Sintenis kleinformatige Tierskulpturen aus Bronze dürften, bewusst oder nicht, vermutlich allen Berliner*innen bekannt sein. Die bekannteste ist ihr Berliner Bär, der alljährlich im Rahmen der Berlinale Filmfestspiele verliehen wird und uns auf der A115 begrüßt oder verabschiedet.

Viele der großformatigen Wandreliefs aus Styropor von Lin May Saeed, der
Künstlerin mit dem deutschen-jüdischen und irakischen Herkunftshintergrund, erzählen Geschichten. Auch dass sie Aktivistin für Tierrechte war, spiegelt sich in ihrem Schaffen wider. Ihre Arbeiten sind inhaltlich und formal überraschend vielschichtig. Die nun präsentierte Gegenüberstellung der beiden so unterschiedlichen und doch so ähnlichen Werke hebt das Wesen der jeweils anderen hervor. Eine Entdeckung, die einen Besuch wert ist.

Georg Kolbe im Nationalsozialismus
Kontinuita
̈ten und Brüche in Leben, Werk und Rezeption Hrsg. von Elisa Tamaschke, Julia Wallner
Gebr. Mann Verlag, 372 Seiten, 206 Abbildungen, 39 Euro
Ausgabe
n in deutscher und englischer Sprache:

Aktuelle Ausstellung: Lin May Saeed. Im Paradies fällt der Schnee langsam. Ein Dialog mit Renée Sinteni

Auch im Georg-Kolbe-Museum wird Kulturvolk-Mitgliedern der ermäßigte Eintritt gewährt.

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