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Kulturvolk Magazin

Kulturvolk Blog Nr. 126

Kulturvolk Blog | Reinhard Wengierek

von Reinhard Wengierek

13. April 2015

Deutsches Theater


Was für ein Fest hätte das werden können. Oder vielmehr: hätte es werden müssen! Drei Mal Shakespeare – „Macbeth“, „Romeo und Julia“, „Was ihr wollt“ , das sind immerhin drei Monolithe des Welttheaters, randvoll mit Weisheiten, Wahrheiten und Rätsel über uns Menschen, unsere Höhenflüge, Höllenstürze, Irrungen und Wirrungen, Träume und Tode. Und voller Figuren strotzend vor Saft und Kraft oder melancholisch entrückt dahin wandelnd; Delikatessen für Schauspieler.

Das DT hat sie; hat für derart delikate Aufgaben Geeignete aller Altersklassen idealerweise in geradezu rauen Mengen (nebenbei bemerkt, blüht in diesem reichen Ensemble ein herrlicher Kranz junger Talente). Zudem verfügt dieses wahrlich generös alimentierte Staatstheater über einen opulenten, hochmodernen technischen Apparat, den bravouröse Technik-Künstler (im Verein mit ebensolchen Werkstatt-Künstlern) auf Hochtouren zu bringen imstande sind. Unter solch beneidenswerten Voraussetzungen müsste ein Riesenprojekt wie dieser Shakespeare-Dreier der Knaller der Saison sein. Müsste! Doch das DT bringt das Kunststück zuwege, dass von den besagten Höhenflügen und Höllenstürzen des grandiosen Figurenpersonals nicht viel zu spüren war. Das Riesenprojekt versackte in der Verzwergung, trotz aller Kunst- und Technikanstrengung, trotz eines Überangebots an Talent.

Wie kann das sein? Ich denke mal, es ist der Über-Ehrgeiz der Regisseure, der immer wieder sonderlich in der Hauptstadt und erst recht an diesem von überall genau und streng beäugten Haus zu beobachten ist. Und damit einhergehend die vornehme Zurückhaltung dramaturgischer Eingriffnahme. Dabei ist Regisseur Stefan Pucher (Jahrgang 1965, „Was ihr wollt“) eigentlich längst ein alter Hase (s. auch Spiral-Block 121). Christopher Rüping (Jahrgang 1985, „Romeo und Julia“) hingegen läuft in der Branche unter Shooting-Superstar, und auch Tilmann Köhler (Jahrgang 1979, „Macbeth“) geht, obgleich andernorts längst schwer erfolgreich, noch als Nachwuchs der Hochbegabten durch. Zwar offenbaren beide Jungs (und in Maßen auch Herr Pucher) in diversen Details viel Fantasie und feines Können, trauen sich aber nicht an die Größe Shakespeares, mogeln sich am Himmlischen wie Höllischen vorbei und bleiben verdammt unterkomplex.

So dürfen denn Macbeth und seine Lady (Ulrich Matthes, Maren Eggert) nur die Studie eines sich völlig fremden, einander kalten Ehepaares liefern, das seine Sache gekonnt rezitatorisch an der Rampe stehend abliefert (nichts da „von höchster Euphorie und völligem Absturz“, wie Matthes vor der Premiere in einem Interview behauptete). Das übrige vielköpfige Personal übernimmt andeutungsweise ein Fünf-Männer-Kollektiv, das sich in kraftvoller Choreografie austoben darf - der lebendige Kontrast zur Statik des hohen Paares.

Regie-Heißsporn Rüping meint, die spätpubertäre Pose des jungen Wilden geben zu müssen, indem er die tragische Lovestory der beiden Teenager aus Verona total zerschnippelt und die Schnipsel dann kaum verständlich wieder neu zusammenflickt. Das hinreißend Schöne und grausam Schreckliche ironisch verwurstet zum Kunstblut-Comic voller Turnübungen und mal opernhafter, mal rockiger Einlagen. Ein mit Ironie und witzigem Blödsinn gewürzter Bildchensalat, keine wirkmächtigen Bilder. Da wird rasend durchexerziert, was im Kochbuch des modisch aktuellen Regisseurstheaters alles drinsteht. Die wunderbar spielerischen Fähigkeiten des blutjungen Ensembles kommen kaum zum Tragen – es muss ja immerzu performen. Und das bei aller gelegentlichen Virtuosität und den seltenen Momenten keuchenden Innehaltens oft auch überdeutlich ausgeleiert, breit getreten, abgeschmackt. -- Schließlich gilt für alle drei Shakespeare-Regisseure: Verschwitztes, erschreckend zielloses Herumkraxeln an der Größe ihrer Aufgabe durchsetzt mit schweren Abstürzen. Man schaut dem mehr oder minder bunten Treiben teils amüsiert, teils befremdet und höchstens für Momente gepackt zu (etwa bei den Monologen von Matthes‘ Macbeth oder denen der Julia mit Wiebke Mollenhauer). Und immer wieder schielt man genervt oder gelangweilt auf die Uhr bei diesem peinlich zu kurz geratenen Shakespeare-Dreisprung.

Die DT-Fassade verunziert neuerdings ein Großplakat: Unter einem Farbfoto, auf dem sich ein Paar auf Matratzen balgt, die banale Inschrift „Theater der Autoren“. Es ist diesmal wohl eher so, dass jenes verschwindet unter dem der, wie es heißt, angesagten Regisseure.

 

Komödie am Kurfürstendamm

 

Sicherheit, das ist das allererste, was eine Bank ausforscht, bevor sie einen Kredit gibt. Doch nicht nur im Geldgeschäft steht Sicherheit ganz oben, vielmehr spielt sie in unser aller Leben eine zentrale Rolle: Alle Welt will Sicherheit! Doch Anton Herberg (Ilja Richter), der einen Kredit will von einer Bank, hat keine. Also sagt der Filialleiter (Markus Majowski) „Nein!“. Das ist die glasklare Ausgangslage für die so intelligente wie bissige Konversationskomödie „Der Kredit“ des in seiner Heimat äußerst populären und erfolgreichen Autors Jordi Galceran aus Barcelona (die herrlich spitzzüngige Übersetzung stammt von Stefanie Gerhold).

Doch was da offensichtlich ganz klar und sicher ist, hier der erfolglose Antragsteller, da der souveräne Finanzmann, verwischt sich in atemberaubender Geschwindigkeit. Die Böden, auf denen die beiden Ungleichen stehen, beginnen zu wanken, die Machtverhältnisse verschieben sich, Sicherheiten bröckeln, Ungewissheit wuchert auf geradezu beängstigende Art – der Motor dieser frappierenden Umwertungen sind die Eloquenz und Lebensweisheit des durchtriebenen Schlawiners Herberg, der den Zweifel in die Fassade der sicheren Selbstgerechtigkeit des stur geradeaus blickenden Finanzbürokraten sät, der dabei schließlich mehr als nur ins Stolpern gerät. Es kommt zu scharf geschliffenen Rededuellen und aberwitzigen Kollisionen am Rande der Farce zwischen den beiden so gegensätzlichen Männern; trotzdem können beide was voneinander lernen. Großartiges, erfrischend hintersinniges Unterhaltungstheater unter Regie von Martin Woelffer voller überraschender Wendungen und unglaublicher Pointen; mehr wird hier nicht verraten.

 

Großartig wird die Chose aber auch durchs optimale Casting – nämlich die beiden hinreißenden Protagonisten Majowski & Richter, die sich behende, zuweilen gar atemlos jagen durchs Textgebirge mit seinen schroffen Gipfeln und steilen Abhängen – oder sich gegenseitig halten und stützen, wenn’s denn extrem gefährlich wird. Nicht verpassen! (en suite bis 26. April)

 

Hasch mich, ich bin der Frühling

 

Natürlich mach‘ ich alljährlich mit bei diesem Narren-Spielchen; wie meine Freundin Renate auch, die da prompt ein Lied von trällert – diesmal ein bisschen unbeglückt. Schnell hat sie’s aufgeschrieben und in die Post gesteckt – zum Glück.

Enttäuschung

 

von Renate Hoffmann

 

Beinah wär’ es Frühling gewesen.

 

Kürzlich hatte ich gelesen

 

Zugvögel zögen schon nach Nord,

 

und in einem kleinen Ort

 

– bei Quieselbach –

 

blühten seit einem Weilchen

 

die ersten Veilchen.

 

Es dufte stark danach.

 

Mal abgeseh’n vom Veilchenduft

 

spürt man deutlich milde Luft.

 

Herr Klein dreht sportlich seine Runde,

 

so etwa um die Mittagsstunde.

 

Er trägt den Wintermantel offen

 

und geht auch heute ohne Hut,

 

was er sonsten nie nicht tut.

 

Das lässt doch hoffen.

 

Amseln flöten honigsüße,

 

Meisen trällern ihre Grüße,

 

Spechte hämmern wie besessen,

 

als hätten sie den Takt vergessen.

 

Nur die Kuckucksrufe fehlen.

 

Zugefrorne Pfützen schmelzen

 

und die Stimmung geht auf Stelzen.

 

Wonne tropft in alle Seelen.

 

Dann am Nachmittag um viere

 

trete ich vor meine Türe.

 

Ach, da schneit es wie verrückt …

 

Ich bin ziemlich unbeglückt.

 

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