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Kulturvolk Magazin

Kulturvolk Blog Nr. 57

Kulturvolk Blog | Reinhard Wengierek

von Reinhard Wengierek

14. Oktober 2013

Deutsches Theater / Kammerspiele


Ein umtriebig durchtriebenes Biedermännchen mit Schlips, so sahen wir vor einiger Zeit im Studio Schaubühne David Ruland als gräulich aashaften Tom Ripley, der aus Gier nach dessen Familienreichtum den so stinkreichen wie nichtsnutzigen Playboy Dickie Greenleaf (Sebastian Schwarz gab ihn als flapsiges Riesenbaby) trickreich und kaltblütig um die Ecke bringt. Es war die reine kleine Schaubühnen-Herrlichkeit, dieses ziemlich abgründige, komisch-tödliche Duell-Duett-Pas de deux der beiden klasse Komiker: Schnappiger Terrier (Ruhland) im Clinch mit dickfellig schwitzendem Bernhardiner (Schwarz) in Patricia Highsmiths Klassiker „Der talentierte Mr. Ripley“. Doch jetzt in den DT-Kammerspielen (in Koproduktion mit dem Frankfurter Schauspiel) keinerlei Abgründigkeit und nirgends Klasse. Da köchelt der Highsmith-Hit mit Christoph Pütthoff (Ripley) und Daniel Hoevels (Dickie) auf schauspielerischem Sparflämmchen – und erst recht tut dies das trällernde Herzchen Marge (Franziska Machens), eine eigentlich tragische Figur, die keiner der beiden Herren wirklich will.

Dabei hat doch unser teures Staatstheater genug Personal, um ganz toll aufzudrehen mit (Krimi-)Entertainment und komödiantischem Furor – wenn man denn schon - was durchaus legitim ist - mal weiter nichts will als unterhalten. Dann aber eben richtig und volle Pulle. Doch die dürre Fantasie des prominent gebuchten Aufsteiger-Regisseurs Bastian Kraft verdirbt schon mal jeden bösen Spaß, aber auch jede Figurenkontur und jede Spannung. Alles bloß hübsch brave Bebilderung der Story. Die Garnierung mit ein bisschen Video und Singsang macht die an sich feine theatralische Petitesse dann auch nicht heißer. Dabei geht es um Mord aus Neid, Gier, unterschwellig schwuler Hassliebe. Und in dem gut gebauten Ding von anno 1955, in den 1960ern kultig verfilmt mit Alain Delon, lauert eine Fülle von Subtexten: eine Aufsteiger- und Liebesgeschichte, ein Künstler- und Entwicklungsroman, ein Vexierspiel mit menschlichen Identitäten. Derlei freilich bleibt ordentlich unterbelichtet. Und trotzdem: Was hätte das bei pfiffigem Casting und ebensolcher Regie für ein geistreich unterhaltender Virtuosen-Abend werden können…

Studio Box im Deutschen Theater

Die 1982 im westfälischen Arnsberg geborene Maria Milisavljevic hat ein kleines Kriminalstück für drei Figuren geschrieben; „Brandung“ handelt von einem verschwundenen und zu Tode gekommenen Mädchen (mit Migrationshintergrund) und von der schließlich vergeblichen Suche nach ihm. Dafür erhielt sie den diesjährigen Kleist Förderpreis; ein wie heutzutage üblich frühes, womöglich allzu verfrühtes Lob für eine durchaus solide, aber nicht eben sonderlich herausragende Talentprobe, die eigentlich das Thema Heimat und Verlust umkreist, worauf die Dramaturgie eifrig verweist.

 

Die Autorin ist immerzu bemüht, die Handlung höchst kompliziert (oder anders gesagt: wirr) zu verschlingen. Womöglich aus Angst vor der vermeintlichen Plattheit einer geradlinigen Erzählung. Die Sache versteigt sich zunehmend ins Kryptische, und auch die drei Figuren bleiben abstrakt, ohne Fleisch und Blut. Papiertheater. Regisseur Christopher Rüping setzt in dieser Koproduktion mit den Ruhrfestspielen Recklinghausen statt ganz einfach auf Klarheit auf seine immerhin überbordende Fantasie, um die blutarme Sache theatralisch aufzuputschen – was sie nun noch unverständlicher macht. Die vielen (meist unnötigen) Kunstgriffe der Autorin und der Regie erdrosseln quasi wie im Wettbewerb die Aufführung.

Die drei technisch prima Spieler Natalia Belitski, Benjamin Lillie  und Barbara Heynen rackern sich ab, ohne dass dadurch mein Interesse an der so raffiniert und vielschichtig gemeinten Geschichte gesteigert würde. Immerfort schauspielerisch hochmögender Firlefanz und aktionistischer Leerlauf gehen auf die Nerven. Die szenische Kopfgeburt verpufft und wäre, wenn überhaupt, sehr viel besser aufgehoben an einem weniger prominenten Uraufführungsort.

Gratulation

Bei der Abschluss(!!)prüfung zur Schauspielausbildung fiel sie „wegen Talentlosigkeit“ durch; das war anno 1949. Doch schon drei Wochen später hatte Edith Hanke eine Filmrolle: Der berühmte Regisseur Erich Engel engagierte die gerade Zwanzigjährige für seine Verfilmung von Gerhart Hauptmanns Diebskomödie „Der Biberpelz“. Dem folgte eine lange schöne Karriere beim Film und später beim Fernsehen. Und eine respektable Theaterlaufbahn, beginnend am Renaissance-Theater (als die kleine Hedwig in Ibsens „Wildente“), dann am Deutschen Theater, Schillertheater, Hansa-Theater und an der Tribüne. Dort lernte sie anno 1970 bei den Proben zu „Happy End“ von Bertolt Brecht und Elisabeth Hauptmann ihren Mann, den Regisseur Klaus Sonnenschein, kennen. Für zwei herrliche Jahrzehnte wurde das leider längst abgewickelte feine Charlottenburger Kammertheater Tribüne dem Ehepaar zur künstlerischen Heimat. Und Friedrich Luft feierte Edith Hanke als „die Duse von der Otto-Suhr-Allee“.

 

1993 spielten Hanke und Sonnenschein erstmals gemeinsam in der Komödie am Kurfürstendamm in der Uraufführung „Keine Ehe nach Maß“ von dem unvergessenen Curth Flatow. Damit startete Edith Hanke an den Kudammbühnen ihre wunderbare Alterskarriere – zuletzt sahen wir vor fünf Jahren die „Grande Dame mit der Piepsstimme“ im Komödienklassiker „Pension Schöller“. Sagenhafte zwölf Mal erhielt die Boulevardkönigin den Publikumspreis „Goldener Vorhang“; 2000 bekam sie die Goldene Kamera. Und heute feiert die so zarte und elegante, dabei auch ruppige und sehr direkte Schauspielerin ihren 85.Geburtstag. Wir grüßen herzlichst und sind ihr dankbar für tolle Theatererlebnisse - oft zum Lachen, zuweilen aber auch zum Heulen, mit denen wir letztlich immer frohgemut aus dem Parkett nach Hause stürmten.

Martin Woelffer, Chef der Kudammtheater, gratuliert der Jubilarin und feiert seinen, unseren Star als Berliner Original, das ihr Publikum tief berühren kann. „Der Lebensmut, den Edith auf der Bühne verbreitet, ist ansteckend.“ Stimmt!

Jahrhundertbauwerk

Gleich noch ein Geburtstag: Morgen, am 15. Oktober 1963, also vor genau einem halben Jahrhundert, wurde mit Karajan am Pult der Neubau von Hans Scharouns Philharmonie eingeweiht. Sie ist nicht nur der Anker in der unübersichtlichen und auch ziemlich öden Stadtlandschaft hinterm Potsdamer Platz am Rande des Tiergartens, die man Kulturforum nennt, sie ist zugleich ein Jahrhundertbauwerk und quasi die Mutter aller modernen Konzerthausbauten, das stilbildende Modell, das große Vorbild.

 

Schon bald nach seiner Gründung 1949 forderte die Gesellschaft der Freunde der Berliner Philharmonie einen Neubau für das Berliner Superorchester unter damals Furtwängler, das nach der Zerbombung seines Stammhauses in der Bernauer Straße im Steglitzer Titania-Palast behelfsmäßig auftreten musste. Standort sollte das Areal hinterm Joachimstalschen Gymnasium (heute Universität der Künste) sein, dort, wo heute die ehemals Freie Volksbühne, heute Festspielhaus, steht. Es gab einen Wettbewerb für zwölf Teilnehmer, Scharoun gewann. Doch entschied man sich bezüglich des Standorts um und votierte für einen Platz in der alten Mitte der geteilten Stadt. Die genehmigten Baukosten von sieben Millionen Mark wurden nur (!!) um 1,3 Millionen überschritten.

 

Der zentrale Standort der Philharmonie inmitten mehrerer höchstrangiger Kulturbauten mit allerdings stark unterschiedlichen architektonischen Qualitäten war auch im Politischen richtig. Doch das besagte Kulturforum ist bis heute nicht komplett gebaut worden und wirkt wenig einladend. Der langjährige Senatsbaudirektor Hans Stimmann, ein polemischer Denker von hohen Graden, der stadtbildprägend wirken wollte und auch wirkte und mit innovativen, auch umstrittenen Vorschlägen vehement an die Öffentlichkeit trat und heftige Debatten auslöste (seine Nachfolgerin Regula Lüscher tritt selbst bei drängenden, alle Bürger bewegenden Stadtgestaltungsfragen überhaupt nicht öffentlich in Erscheinung, was Fragen nach ihrer Amtsführung aufwirft), Stimmann also feiert Scharouns Wunderbau mit einem Goethe-Wort als "verstummte Tonkunst"  (auch der Architekt zitierte gern den Weimarer). Die Umgebung dieser Weltarchitektur hingegen sei das Beispiel "einer schlecht gebauten Stadt, wo der Zufall mit leidigem Besen die Häuser zusammenkehrte" (auch von Goethe). Und mit deutlich erhobenem Zeigefinger und sehr zu Recht fragt der gute alte Stimmann, ob denn hier nicht eine große und drängende Aufgabe für den Senat wäre, "endlich schöne Stadträume zu schaffen, die zum Verweilen animieren".

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