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Kulturvolk Magazin

Kulturvolk Blog Nr. 36

Kulturvolk Blog | Reinhard Wengierek

von Reinhard Wengierek

21. Mai 2013

Morgen ist Geburtstag - 200 Jahre Richard Wagner!


Die Medien überschlagen sich und arbeiten sich ab an den grässlichen Seiten des grandiosen Geburtstagskindes, sonderlich an seiner schlimmsten Idiotie, dem Antisemitismus. Darauf zielte die Düsseldorfer „Tannhäuser“-Inszenierung, indem sie sehr direkt an den Holocaust erinnerte. Auf Druck eines empörten Teils der Öffentlichkeit wurde die Produktion nach der Premiere abgesetzt; das Ensemble gibt das Stück nunmehr konzertant. Man mag die Inszenierung des ansonsten eher moderat wilden Regisseurs, deren Erarbeitung die Direktion immerhin von Anfang an wohlwollend begleitete, allein vom Hörensagen finden wie auch immer, Selbstzensur durch die Intendanz ist nichts weiter als blanke Feigheit. Vielleicht war man ja bloß erpicht auf den Skandal. Nun hat man ihn in allumfassender Peinlichkeit.

 

Im feierwütigen Dresden freilich herrscht heute Abend, Dienstag nach Pfingsten, Partystimmung. Das Geburtstagskonzert der Sächsischen Staatskapelle, Wagners „Wunderharfe“, unter Ober-Wagnerianer Christian Thielemann wird aus der Semperoper ins Freie übertragen. Dazu Radeberger Pils vom Fass und anschließend Feiern ohne Ende in der hoffentlich milden Maiennacht an der Elbe auf Deutschlands schönstem Theaterplatz. Schnell Entschlossene können fix noch in den Intercity steigen. Oder ins Auto und später ins Hotelbett, um am Tag der Tage aller Wagner-Fans der Welt ins Dorf Graupa zu kutschieren via Pillnitz vor die Tore der Stadt.

 

Dort kann man Lohengrin füttern. Doch der ist Feinschmecker, was man seiner Figur ansieht. Ziemlich mopsig, wie so manche seiner Namensvettern auf der Opernbühne. Lohengrins Bühne in Graupa ist der idyllische Teich vorm Jagdschlösschen, das ein mit Hörschleifen vollgestopftes und ganz zauberhaftes Richard-Wagner-Museum nebst schickem Konzertsaal enthält.

Graupa gehört zur schönen Elbestadt Pirna („Tor zur Sächsischen Schweiz“). Man erreicht es auch in einem Viertelstündchen mit dem Linienbus vom Schloss Pillnitz. Hier im Nest Graupa schwadronierte, politisierte, komponierte Wagner. Und wanderte, schließlich war er zeitlebend leidenschaftlicher Fußgänger.

Graupa war Wagners Sommerfrische, nein, nicht im Schloss, vielmehr hatte er sich mit Erst-Ehefrau Minna im Gut des Bauern Schäfer (vom Schloss fünf Minuten zu Fuß um die Ecke) zwei schlichte Zimmerchen gemietet. Dort ließen beide sich‘s gut gehen; mit Blick ins Osterzgebirge und in die Sächsische Schweiz; von Mitte Mai bis Ende August 1846. Zweitfrau Cosima, die 35 Jahre später mit den Wagner-Kindern Siegfried und Eva den Gutshof inspizierte, gab staatsfraulich zu Protokoll: „Aus dieser Enge und Dürftigkeit strahlte diese Welt von Glanz und Schönheit aus.“

Damit meint sie, bei Schäfers fantasierte sich Richard die ersten Umrisse seiner Großen Romantischen Oper von der unglücklich-glücklichen, neugierigen Frau Elsa und ihrem fraglos schwierigen Verhältnis zu Ehemann Lohengrin herbei. Die berühmten beiden Zimmerchen sind heute möbliert im Stil der Wagner-Zeit, nur sehr viel bescheidener, also ländlich-sittlich. An der Wand Stichworte zur Lohengrin-Rezeption, freilich ohne (kritisch) aufs Gegenwärtige (etwa Neuenfels' Bayreuther Mäuse) einzugehen. Schade, wäre unbedingt nachzuholen.

Ein paar Kilometer weiter in Richtung Elbsandsteingebirge (Tipp für einen Ferientrip) liegt unweit des Dörfchens Lohmen (liebliche Barockkirche) der Liebethaler Grund, einst eins der beliebten Wagnerschen Wanderziele. Hier protzt vor mächtigen Sandsteinwänden das tatsächlich größte Wagner-Denkmal der Welt: 12,50 Meter. Der Entwurf - Wagner monströs als Gralsritter -  stammt von Richard Guhr, dem Schöpfer des „Dresdner Rathausmannes“, der vergoldeten Skulptur auf der Turmspitze.

 

Übrigens, das wirklich tief Beeindruckende an der Graupaer Wagnerei aber ist: Richards Totenmaske von Augusto Benvenuti, Gips, abgenommen am 13. Februar 1883 zu Venedig.

Deutsches Theater

Wieder mal scheiden sich die Geister der Kritiker. Die veröffentlichten Meinungen zu Ibsens ätzend sarkastischem Drama über das rundum unerfüllte Dasein des Bürgerweibchens „Hedda Gabler“ am DT gehen weit auseinander. Die einen finden Stefan Puchers Inszenierung witzig und trefflich, die anderen bloß platt und doof. Ich sage mal so: Sie ist hübsch unterhaltsam und kurzweilig; in 90 Minuten ist man fertig, aber um kein Gran klüger als zuvor. Denn warum bloß in aller Welt umschwirrt da unentwegt eine Meute von depperten Kerlen die fatal oberflächliche wie einfältige Hübschheit Hedda? Das psychothrillerig gesellschaftskritische Ibsen-Werk als reines Leerstück? Aber comicartig auf Sprechblasengröße zusammengestrichen, garniert mit flotter Musik, amüsanten Videoschnipseln und Nina Hoss als Grand-Dame-Model (eine nette Kostümshow für sich) in wechselnd attraktiven Interieurs auf der Drehbühne, da gibt‘s schon was zu gucken und auch zu lachen, aber nichts weiter zu begreifen. Eine grinsende Scharteke mit schickem Pop-Schnulli. Kleines Entertainment voller Ibsen-Idioten – als arg verfrühten Silvesterscherz hätte ich es durch gewunken. So aber bleibt: Abwinken.

Kammerspiele des DT

Ein See namens Wastwater im englischen Lake District ist berühmt für seine herrliche Ruhe und enorme Tiefe. Und er ist berüchtigt dafür, dass man im Wastwater heimlich Leichen entsorgt, die man loswerden will. Hinter der Naturherrlichkeit steckt des Lebens Schrecklichkeit. Der britische Star-Dramatiker Simon Stephens nannte sein Stück über die äußerst seltsamen Begegnungen von drei sehr gegensätzlichen Paaren sinnigerweise „Wastwater“; steckt doch oft hinter dem scheinbar normal Alltäglichen des Daseins das Grausame und Entsetzliche, das zunächst auch ganz normal-banal daherkommt. Geradzu unheimlich selbstverständlich durchbohrt der Autor die braven Oberflächen seiner Figuren und dringt in deren Tiefen, in deren blutenden Seelen, grauenvolle Ängste und schmerzliche Verlorenheiten. Ulrich Matthes als Regisseur inszeniert das lapidar und lakonisch und gerade dadurch in irritierender Eindringlichkeit. Schauspielertheater unspektakulär großartig. Das feine stille Gegenstück zur ordinär lauten „Hedda Gabler“ (wieder am 22. Mai und in der nächsten Spielzeit).

Bar im DT

Zu den vielen wunderbaren, stillen Stars des DT gehören Moritz Grove oder Bernd Stempel oder Barbara Schnitzler (alle spielen mit in „Wastwater“). Die Schnitzler aber legte unlängst einen tollen „Liederabend vom Leben“ hin in der lauschigen Foyer-Bar in den Kammerspielen. Hana Hegerova gibt den Titel vor mit „Fahr doch allein Karussell“ und also gleichsam die Grundstimmung. Brecht, Dessau, Weill, Knef, Biermann, Gitte, Hollaender, Spoliansky, Lakomy und Jürgen Walter liefern die Mischung, aus der Barbara Schnitzler leichthin ihr Ureigenes formt – herzberührend, beglückend. Keine ganz große Stimme, aber sie kann sehr scharf und kühl werden. Und sehr zart und weh; doch ohne Ach. Wirklich eine schöne, eine auch tröstliche gute Stunde zur Nacht – danke!   mit Nikolai Orloff am Flügel (wieder am 26. Mai, 21 Uhr).

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