HEUTE: 1. „Indien“ – Die Vaganten / 2. Big Party – Auf zum Kulturvolk-Sommerfest! / 3. Extra-Tipp: Blauer Montag 200 – Die Wühlmäuse / 4. Umsonst und draußen – Staatsoper Unter den Linden
Bösel & Fellner sind ein klassisches Paar der Sorte gegensätzliche Typen, die erst gegenseitig sich kloppen und schließlich einander mögen. Die beiden großen österreichischen Kabarettisten Josef Hader und Alfred Dörfer haben es erfunden für ihre Tragikomödie „Indien“; seit Jahren ein Hit im deutschsprachigen Theater, ein sowohl grobes wie auch fein gehäckseltes Futter für zwei tolle Komödianten und obendrein ‑ mit den Autoren als Protagonisten – ein Kinofilm, der zu den erfolgreichsten Österreichs gehört.
Natürlich geht es überhaupt nicht um Indien oder Exotik, sondern um die niederösterreichische Provinz; ums einfach komplizierte Leben. Dort, zwischen Dürnstein, Melk und Wienerwald, ist der ältere, sarkastisch abgeklärte Heinz Bösel unterwegs mit seinem jüngeren, romantisch über Gott und die Welt schwadronierenden Kollegen Kurt Fellner unterwegs. Als Hygiene-Inspektoren inspizieren sie Kneipen und Landgasthöfe auf Einhaltung diverser Vorschriften, testen die Schnitzel-Produktion wie den Zustand der Toiletten, wobei man sich zwangsläufig einander nahe kommt, was zum Zusammenprall ziemlich unterschiedlicher Lebenswelten, Ansichten, Gewohnheiten führt. Zunächst geht man sich mächtig auf den Keks. Doch allmählich wächst aus der erzwungenen Nähe eine gewisse Hassliebe und schließlich, am todtraurigen Ende, eine innige Freundschaft, gegenseitige Sehnsucht und Zuneigung.
Die durch brillante Dialoge und scharfe Pointen bestechende Komödie ist einerseits ein derbes Stück vom saftigen Leben einschließlich seiner ganz unterschiedlich bitterkomischen Enttäuschungen, anderseits ein sanft anrührendes Stück über den oft so schrecklich überraschend ins Dasein schlagenden Tod.
Das alles steht und fällt mit einer starken Besetzung; Regisseur Lars Georg Vogel fand sie mit Jürgen Haug (Bösel) und Urs Stämpfli (Fellner), sorgte für prägnant austarierte Stimmungslagen und verlegte die Handlung vom Niederösterreichischen ins Schwäbische („Indien“ als Provinz ist überall). So verstärkt das Mundartliche, perfekt beherrscht, noch das Saukomische wie herzergreifend Traurige. Und beschert dem hingerissenen Publikum alles in allem neunzig Minuten bestes Theater.
(wieder am 14., 15., 16. Juni)
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Es ist schon wieder soweit: Die extrem umtriebige und mit (fast) allen, die in der Stadt kulturell in Erscheinung treten, fest vernetzte Geschäftsführerin Alice Ströver hat, gemeinsam mit ihrem rührigen Team, seit Monaten schon Ideen gesammelt, Kontakte strapaziert und hingebungsvoll am Show-Programm gewerkelt. Damit es auch diesmal wieder sensationell ausfällt.
Man darf ungeniert sagen, dieses Berliner Sommerfest ist längst schon sehr viel mehr als bloß eine Wilmersdorfer Kiez-Veranstaltung. Es ist ein Knaller im ohnehin reichen Open-air-Betrieb der Hauptstadt. Erstrangige Kulturinstitute liefern gemeinsam mit kleineren und kleinsten Akteuren auf der großen Bühne im weißen Straßenzelt (oder daneben) attraktive Kostproben ihrer Kunst. Nahezu sämtliche Firmen von Populär- bis Hochkultur geben in gern pittoresk ausstaffierten Werbebuden ihre Visitenkarten ab. Klar, dass da der Kultursenator Klaus Lederer zur Eröffnung dabei sein wird.
Die Bar jeder Vernunft beispielsweise schickt den Männergesangsverein Walhalla zum Seidelwirt, das BKA „The Cast – Die Opernband“ mit klassisch ausgebildeten internationalen Rockstars der Oper, die mit feinsinnigem Humor auf Mozart, Verdi & Co. treffen. Selbstverständlich sind auch diesmal Solisten aller drei Opernhäuser dabei sowie die Orchesterakademien von Philharmonie und Staatsoper, dazu Musiker der Berliner Symphoniker und Stipendiaten der Carl-Bechstein-Stiftung.
Die Shakespeare-Company zeigt Ausschnitte aus „Verlorene Liebesmüh“, das Theater im Palais Berliner Geschichten von Otto Reutter, das Theater Strahl Szenen aus „KlasseKlasse“ und „KlasseTour“ (Maskenbeatboxthater). Das Ballhaus Naunynstraße, das Berliner Ensemble, das Theater an der Parkaue offerieren theatralische Schmankerl und das Theater Toll und Kirschen spielt für die lieben Kleinen das Stück „Mäusekinder-Träumefinder“. Und das Deutsch-Jüdische Theater fidelt Klezmer-Musik. ‑ Freikarten zu gewinnen gibt’s bei dem besonders beliebten Glücksrad – und auch die Tombola hält wieder tolle Überraschungen parat, darunter mehrere Hotelübernachtungen, Kunst und Möbelstücke, ein signiertes Hertha BSC-Trikot uvw.!
Es ist also jede Menge los im Garten und auf der Straße vorm Kulturvolk-Haus. Entertainment aller Arten für die ganze Familie. Und ebenso reichhaltig das Catering für sämtliche Geschmacksrichtungen. – Alles in allem ein pralles Programm, eine knallbunte Show; auch zum Mitmachen für jeden. Ein Happening, das man sich nicht entgehen lassen sollte. ‑ Auf zur großen Kulturvolk-Party!
(Samstag, 15. Juni. Ab 15 Uhr bis gegen 22 Uhr. Ruhrstraße 6 in Wilmersdorf, zwischen U-Bahnhof Konstanzer Straße und Fehrbelliner Platz.)
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Es ist nicht zu hoch gegriffen: Der monatlich gefeierte Blaue Montag gehört mit seinem raffiniert komponierten Mix aus Kabarett, Varieté, Show und Comedy zu den wohl attraktivsten, witzigsten und originellsten Unterhaltungsformaten der Stadt. Deshalb mein Extra-Tipp für die – man höre! – zweihundertste Veranstaltung der wie immer von Arnulf Rating frech und charmant präsentierten, mit jeweils erstklassigen Künstlern besetzten kunterbunten Show der Rating-Firma „Maulhelden“ bei den Wühlmäusen am Theodor-Heuss-Platz.
Zum Jubiläum dabei sind u.a. der Schriftsteller und Liedermacher Volker Strübling, Begründer der Lesebühnen „LSD-Liebe statt Drogen“ oder „Chaussee der Enthusiasten“. Der BMX-Artist Frank Wolf, ein wagehalsiger Turner auf einer Art Fahrrad; der Wortartist Martin Mall (Motto: „Konstruktiv statt konjunktiv“) sowie die „Maiers“, dem Luft- und Bodenunfug treibenden Urgestein der Berliner Varietészene. Und noch dazu der sexy A-cappella-Chor „Rosa Cavaliere“ mit ihrem Liedgut von „Lilli Marleen“ bis Franz Schubert, mal in Strapsen und Trainigsanzügen, in Dreireihern oder Badehosen. Und zwischendurch als Stimmungsverstärker und zum rhythmischen Wippen mit den Fußspitzen „Andrej Hermlin & his Swing Dance Band“. ‑ Applaus, Applaus schon vorab für die 200!
(Montag, 17. Juni 20 Uhr. Die Wühlmäuse)
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Zugegeben, das Wochenende in der Mitte vom Juni hat’s in sich: In der Wilmersdorfer Ruhrstraße das Kulturvolk-Sommerfest, im Stadtbezirk Mitte Unter den Linden die „Staatsoper für alle“. Was die Wiener Staatsoper im Juni schon längst nahezu täglich macht, gibt es, wenn auch nur ein Mal im Jahr, in Berlin: nämlich die Live-Übertragung aus dem Opernhaus auf dem Bebelplatz. Hardcore-Enthusiasten könnten ja zwischen Mitte und Wilmersdorf pendeln, den einen Akt hier, mehrere Acts dort – das wäre (verrückte) Vielfalt.
Wie dem auch sei, wir von Kulturvolk, wollen die immerhin ganz große Konkurrenz nicht unterbuttern: Am Samstag, 15. Juni, gibt es um 15 Uhr bei freiem Eintritt auf der Videowand vor dem Hotel de Rome Richard Wagners Handlung in drei Aufzügen „Tristan und Isolde“; Dirigent: Daniel Barenboim, Inszenierung: Dimitri Tcherniakov. Mit Anja Kampe und Andreas Schager in den Titelrollen sowie u.a. Violeta Urmana (Brangäne), René Pape (König Marke) und Boaz Daniel (Kurwenal).
Tags darauf, am Sonntag, 16. Juni um 13 Uhr, spielt ‑ gleichfalls bei freiem Eintritt ‑ die Staatskapelle auf dem Bebelplatz unter Barenboim Felix Mendelssohn Bartholdys Violinkonzert e-Moll (Solistin: Jiyloon Lee, 26 Jahre alt, aus Südkorea, erste Konzertmeisterin der Staatskapelle) und Johannes Brahms‘ Sinfonie Nr. 2 D-Dur. Moderation beider Veranstaltungen: Thomas Gottschalk.
1. Theater an der Parkaue Ionesco weitergedacht
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3. Kabarett-Theater Distel Wo man singt
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Stiftung Stadtmuseum Berlin Geschichte und Erinnern
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2. Gorki Das Monster in uns
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