Sein Reich ist ein goldener Kubus, doch ziemlich verdreckt vom Volk: „Aller Anstand den Bach runter“, jammert der Herzog. Das muss anders werden. Er will es aber selbst nicht richten, sich nicht die Finger beschmutzen. So bestellt er Angelo als Statthalter auf Zeit, überträgt ihm sämtliche Vollmachten zum radikalen Durchgreifen und verduftet sich auf Reisen – scheinbar. Tatsächlich jedoch schlüpft Herzog Vincentio (Gert Voss als Stargast vom Burgtheater Wien!!) unter eine Mönchskutte, um inkognito die Saubermachaktionen seines dogmatisch puritanischen Stellvertreters (Lars Eidinger) kritisch zu beobachten. Der greift als erste Amtshandlung zum Wasserwerfer: Die vom Sittenverfall versaute Goldkiste wird gründlich abgespritzt.
Das edle Gold, das von des saftigen Lebens irren Läufen schmutzig wird, das reine Wasser, aus dem unversehens auch übler Schlamm wird, das sind die Materialien, die das Bühnenbild Jan Pappelbaums für Thomas Ostermeiers Schaubühnen-Inszenierung der Shakespeare-Mär „Maß für Maß“ trefflichst prägen. Auch ein Lüster als über allem schwebendes Sinnbild des Schönen darf nicht ungestört gleißen, sondern wird schockierend getrübt von einer bluttriefenden Schweinehälfte, vom Büttel der Staatsmacht ins klare Kristall gehievt – das idealisch Zivilisatorische, die dampfende Natur und deren Repression. Passt auf dieses alte Lehrstück von anno 1604 über des Menschen unausrottbaren Wahn, eine moralisch perfekte, total saubere Gesellschaft durchzupeitschen. Da nutzt doch dieser eiserne Engel seine geborgte Regierungszeit sofort für die Wiederbelebung eines längst ruhenden Gesetzes, das vorehelichen Umgang mit Kopf ab bestraft und übergibt Bürger Claudio (Bernardio Arias Porras), der seine Verlobte schwängerte, sofort dem Scharfrichter. Des Delinquenten Schwester Isabella (Jenny König), eine klösterliche Novizin, fleht vergebens um Gnade für ihren Bruder; es sei denn, sie ergebe sich Angelos Aufruhr, den just ihre Unschuld im Hosenstall des Tugendterroristen so vehement entfachte…
Ein klarer Fall von Machtmissbrauch durch einen Richter Gnadenlos. Das zwingt den regierenden Herzog (in der Maske des Mönches) zum Eingreifen: Der monströse Doppelmoralist wird zur Strecke und alles unter Turbulenzen zum halbwegs glücklichen Ende gebracht. Zuvor aber gibt es noch große Diskurse über Staatsraison und Gnade und das Absurde des Lebens. Ostermeier organisiert diese freilich atemberaubenden Debatten ermüdungsfrei leichthin. Und lässt doch dieser philosophisch hochkontaminierten Justiztragikomödie ihre elisabethanische Garnierung durch Mummenschanz, Verkleidungsklamotte und Clownerie. Lässt Schauspielkunst vom Feinsten blühen – zuerst mit Gert Voss als potent diabolischem, zärtlich gestrengem, gleichwohl souverän altersweise entrücktem Anwalt vertrackter Menschlichkeit, dem das Ensemble junger Kollegen durchaus Paroli zu bieten imstande ist. Eine klare, gelassen schwingende, musikalisch wundersam durchwehte, dennoch gewitzt polternde Präsentation des grauenvoll komischen Stücks. (endlich wieder vom 8. bis 10. März)
Sie hat ein ovales Mädchengesicht, unbedingte Augen, ist 1,64 Meter groß, nicht eben prächtig einherwandelnd im Fleische“, schrieb Egon Günther 1971 über Jutta Hoffmann. Da war sie 30. Und längst berühmt durch Theater und Film; und bei der Defa fand sie „ihren“ Regisseur: „Egon hat mich bestärkt, mich auf eine Rolle einzulassen und zugleich aus ihr herauszutreten.“ Partielle Identifikation und partielles Bei-sich-, also Privat-Bleiben; diese Spannung machte das Spiel der Hoffmann so schön und so aufregend und ihr DDR-BRD-Leben einigermaßen schwierig. Das wird erinnerbar (oder ahnbar) in einem Bilderbuch (Verlag Das Neue Berlin) mit vielen Kollegen- und einigen Selbstzitaten – quasi ein illustriertes, kommentiertes Arbeitsverzeichnis; wie ein Almanach, ein Retro-Kaleidoskop. Aber nichts aus dem Nähkästchen, das freilich auch interessiert hätte. Wer also schreibt endlich die große Hoffmann-Bio?
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