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Kulturvolk Magazin

Kulturvolk Blog Nr. 118

Kulturvolk Blog | Reinhard Wengierek

von Reinhard Wengierek

16. Februar 2015

Grips-Theater


Lutz Hübner, seit langem schon einer meiner Lieblingsautoren (gegenwärtig relevante Probleme ungeniert und dramatisch fest beim Schopfe packend), hat mit seiner schwärzlichen Komödie aus dem Milieu der Pädagogik sowie der jedwede Pädagogik egoistisch mit Füßen tretenden Elternschaft, die nicht einsehen will, dass nicht die Lehrer, sondern ihre mehr oder weniger beschränkten Schüler höchstselbst daran schuld sind, wenn sie's aufs Gymnasium nicht schaffen, Hübner hat mit „Frau Müller muss weg“, diesem aus dem Leben gegriffenen sarkastisch-humorvollen Stück, das Publikum wie den gesunden Menschenverstand auf seiner Seite. Wo man es spielt immer ausverkauft!

 

Jetzt hat Sönke Wortmann das starke Ding auch noch verfilmt, in dem endlich mal erfrischend Klartext geredet wird gegen die oft so beliebte, meistens jedoch verderbliche Kuschelpädagogik. In den Hauptrollen die wunderbare Gabriela Maria Schmeide als gemobbte und dennoch souveräne Lehrerin und Anke Engelke als aasige Wortführerin der verlogenen Eltern, die ihre missratenen Gören um jeden Preis auf die höhere Schule hieven wollen. Wer den endlich mal aufs verschlampte Schulwesen dreinschlagenden Film womöglich verpasst hat, kann das tolle Stück über durchgeknallte Wohlstandseltern im volkspädagogischen Tollhaus im Grips-Theater auch unter Regie von Sönke Wortmann – jetzt nachsitzen.

 

(Am 19., 20., 21. Februar, am 31. März und am 1. April, jeweils 19.30 Uhr.)

Renaissance-Theater

Hoppla, der etwas ältere stämmige Herr mit breitem Kreuz und strammem Brustkorb geht auch mit seinen 84 Jahren noch locker als Kerl durch. Dazu die silbergraue Mähne, Bart, sinnliche Lippen. Und unter buschigen Brauen die großen Augen, die noch immer so jungenhaft blicken können; oder durchtrieben spöttisch, schalkhaft, verschmitzt. Auch aashaft grinsen können sie. Das hat was Verwegenes, womöglich Schwerenöterisches. Ja doch, allein schon die körperliche Präsenz von Mario Adorf wirkt magnetisch. Und dann erst diese Stimme! Modulierend zwischen dunkel samtig und ruppig rau. Dieser Mann kann verführerisch flüstern, aber auch ein Fußballstadion nieder brüllen. Nach seinem verpatzten Vorsprechen an der Münchner Falckenberg-Schauspielschule war er schon unten durch, da sprach die Aufnahmekommission doch noch das rettende Urteil: „Nehmen wir ihn halt zur Probe; der Bursche hat Kraft und Naivität.“

 

Genau erkannt! Es ist diese goldene Mischung, die bis heute Adorfs Aura prägt, seine phänomenale künstlerische Wirkung – ob im Film oder auf der Bühne und ganz gleich, ob er nun schwere Schurken, diffuse Finsterlinge, tollkühne Abenteurer, saftige Machos, wilde Schürzenjäger oder komische Liebhaber spielt. Dabei hat er das Spielen, das er als „Handwerk“ betrachtet, weniger in Schulen erlernt als beim aufmerksamen Zuschauen großer Kollegen; erst als Statist im Zürcher Schauspielhaus, dann (1955-1962) im Ensemble der Münchner Kammerspiele. Dort waren der Schauspieler Friedrich Domin und der Regisseur Fritz Kortner prägend. Dort entdeckte ihn der weltberühmte US-Regisseur Robert Siodmak und besetzte ihn in seinem Film „Nachts, wenn der Teufel kam“ – eine beispiellose Kino- und TV-Karriere begann; bis heute sind es rund 200 Filme.

 

Siodmaks Casting in einer Kneipe bestand in der harmlosen Aufforderung, doch mal so richtig „beese“ zu gucken. Und Siodmaks „Schauen Sie mal böse“ gibt denn auch das Motto für Mario Adorfs „Geschichten aus seinem Schauspielerleben“, die er aus mehreren seiner süffig zu lesenden Erinnerungsbüchern für eine Vortragstour durch Deutschland zusammengetragen hat. Überall ausverkauft. Und nach gut zwei Stunden stehender Jubel der Fans aller Altersklassen.

 

Ja, es ist köstlich und herzbewegend! Ist lehrreich, kraftvoll und gespickt mit saftiger Komik, die ihm frech, dabei hinterrücks tiefsinnig über die Lippen kam und durchaus heftig an das frühe schöne Diktum „naiv“ erinnert. Bleibt doch die Schauspielerei für diesen Künstler letztlich immer und im weitesten Sinne Komödiantentum. Damit hat es Adorf zur faszinierenden Könnerschaft gebracht. Und dazu müsse er, so sein Credo, immerzu mit unverstelltem, also naivem Blick aufs wirkliche Leben schauen. Wie das so ablief in seinem reichen Künstlerdasein, davon präsentierte Adorf eine ziemlich verrückte, saukomische und gelegentlich auch bitterernste Mischung von Geschichten, Anekdoten, Katastrophen, Glückseligkeiten. Berühmtheiten wie Rühmann und Albers kommen vor (beide werden hinreißend parodiert, auch ein Albers-Liedchen wird geträllert), daneben Wessely, Hörbiger, Heinrich George. Und es geht um Alkohol, Texthänger, Hunger, Armut, Boxen, Wurzen, Sprechtechnik, um Schiller („Carlos“ wird zitiert), um offene Hosenställe, Versprecher, Intendanten, Shakespeare (den berühmten Shylock-Monolog gibt's im deklamatorischen Kortner-Stil), um diverse Kino- und Bühnentode, um den römischen Papa, die rheinische Mama, um die Kindheit im katholischen Waisenhaus in der Eifel, ums richtige Lachen oder Grienen und warum sich ein Rüde die Eier leckt. Und es geht um die scheinbar harmlosen, doch eigentlich grundsätzlichen Weisheiten seines, Gott hab‘ ihn selig, Zürcher Kollegen Domin: Das wichtigste am Schauspieler sei, dass er eine eiserne Gesundheit habe. „Und dass er stets gut riecht.“

 

(Im Renaissance-Theater am 21./ 22. Februar 2015.)

Theater am Kurfürstendamm

Er hat sich 800 Dollar gepumpt und in der Autostadt Detroit das Plattenlabel „Motown“ gegründet, um fortan wie am laufenden Band Welthits zu produzieren. Damit schrieb der Afroamerikaner Berry Gordy große Popgeschichte – zusammen mit Marvin Gaye, The Temptations, Diana Ross & The Supremes, The Jacksons Five, The Four Tops oder Stevie Wonder.

 

Der damals, in den 1960er Jahren, neuartige, scharf rhythmisierte und dabei melodienselige Klang – Etikett „The Sound Of Young America“ – trieb unerbittlich zum Tanzen und Mitsummen, aber eben auch zum Träumen „When A Man Loves A Woman...“ Und so ist das bis heute; „Motown“ ist Klassik-Pop, unschlagbar. Wie jetzt wieder im Kudamm-Theater. Da werden zunächst ein paar aufschlussreiche Blicke geworfen hinter die Kulissen der Hitfabrik am Michigan, dann aber wird losgelegt mit einem zünftigen Livekonzert. Da kocht der Saal, da vibriert der Fußboden. In den letzten zwanzig Minuten sitzt keiner mehr im Sessel. Alles stampft im Stehen „Stop In The Name Of Love“. Und wackelt mit dem Hintern. Aufs heftigste animiert von den zwei Damen und drei Herren, dem super sexy Quintett mit Riesenbums in der Kehle, faszinierender Präsenz und irrem Hüftschwung. Kein Wunder: die tollen Fünf sind handverlesene Stars aus verschiedenen internationalen Musicalproduktionen; begleitet von der klasse Band unter Hans Kaul, der auch die die Arrangements für diese ziemlich sensationelle Show schrieb.

 

Die ist das ideale Gegengift zum kühlen, ewig müden Grau des Berliner Winters. „Die Legende“ für alle, die den Lebensmotor genüsslich hoch fahren, sich mal wieder so richtig durchfeuern wollen und Lust haben, auch im Theater ordentlich abzurocken. (wieder ab 16. Februar)

Grothum 80 im Schlosspark

Am 26. Februar feiert sie ihren 80. Geburtstag. Man kenne sie „sicher vom Jedermann, im Berliner Dom“, sagt sie neuerdings via Lautsprecher auf der U-Bahn-Linie 2 bei der Promi-Ansage, „Ihre nächste Station ist Bülowstraße“. – Brigitte Grothum, die Urberliner Schauspielerin, Filmproduzentin und Regisseurin, steht just an diesem 26. Februar, ihrem Ehrentag, auf eigenen Wunsch auf der Bühne des Schlossparktheaters, zusammen mit Achim Wolff in einer ganz „normalen“ Repertoirevorstellung der Konversationskomödie „Geliebter Lügner“ (George Bernard Shaw & Schauspielerin Beatrice Stella Campbell im geistreichen Rededuell). Also nichts wie hin, wer Blümchen werfen will! Übrigens, vor 60 Jahren – ein großer Kreis schließt sich da spielte die Grothum im Schlosspark eine ihrer ersten Rollen in Jean Anouilhs „Der Herr Ornifle“.

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