Die frühe Version von „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ zeigt die Spaltung des Menschen weniger als Gesellschaftsdrama, sondern als brutalen Albtraum der Selbstentfesselung – und geht dadurch über alle späteren Verfilmungen weit hinaus.
Stephan v. Bothmers Musik am CineTronium holt den Film klanglich ins Heute, und zieht den Zuschauer gleichzeitig so in den Film hinein, als ob es um seine eigene Befreiung von gesellschaftlichen Zwängen geht, die sich dann in einen Albtraum wandelt, aus dem es kein Erwachen mehr gibt.
Die selten gezeigte Stummfilmfassung von „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ setzt auf den reinen Schrecken der Verwandlung. Sheldon Lewis gestaltet sie als existenziellen Albtraum: Aus dem kontrollierten Wissenschaftler bricht, einmal von gesellschaftlichen und moralischen Konventionen befreit, eine wilde, animalische Kreatur hervor, die nicht mehr zu bändigen ist. Die Verwandlungen geschehen roh, körperlich und verstörend direkt – ohne elegante Übergänge, dafür mit umso größerer Wucht.
Der Film steht stilistisch dem frühen Horror- und Sensationskino näher als dem klassischen Literaturdrama. Moralische Fragen treten hinter das Erlebnis von Angst, Trieb und Kontrollverlusts zurück.