Carolina Bianchi gilt aktuell als eine der kompromisslosesten Stimmen der internationalen Theaterszene. Nach “The Bride and The Goodnight Cinderella”, dem Auftakt von “Cadela Força” („Die Stärke der Schlampe“) kehrt die brasilianische Theatermacherin nun mit Teil zwei ihrer Trilogie über sexualisierte Gewalt gegen Frauen ans HAU zurück: In “The Brotherhood” demontiert sie mit einem Ensemble, das neben ihr ausschließlich aus Männern besteht, das Ideal von Bruderschaft. Schicht für Schicht werden Machtdynamiken entblößt, patriarchale Mythen zerlegt und Männlichkeitsbilder hinterfragt, die zutiefst von Frauenfeindlichkeit und sexueller Gewalt geprägt sind. Dabei richtet sie den Blick dorthin, wo die Ursprünge männlicher Machtstrukturen liegen: in den Bünden, Riten und Codes, in denen das Patriarchat und Misogynie oft subtil eingeschrieben sind.
Doch der Theaterabend beleuchtet auch, wie männliche Machtdynamiken für Bewunderung sorgen mit Blick auf die Kunstgeschichte. Im ersten Akt interviewt Bianchi einen mächtigen und berühmten Regisseur. Im zweiten Akt übernimmt eine Gruppe männlicher Darsteller die Bühne und die Arbeit entpuppt sich als eine Falle: Während Bianchi die männlichen Machtstrukturen aufdeckt, wird sie selbst zu einer Figur, die unter den Konsequenzen ihres Blicks auf dieses System leidet.
Der erste Teil der “Cadela-Força”-Trilogie, “The Bride and The Goodnight Cinderella”, sorgte weltweit für Aufsehen. Teil zwei bringt uns erneut dazu, über die Rolle von Gewalt in unserer Gesellschaft nachzudenken und darüber, wie wir dazu beitragen, sie aufrechtzuerhalten, ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht.