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Kulturvolk Magazin

Die Volksbühne in der Weimarer Republik

Die Kunst dem Volke inmitten politischer Instrumentalisierungsversuche

 

Zum Ende der Spielzeit 1919/20 konzentrierte sich die wiedervereinigte Volksbühne auf die Planung eines zusätzlichen Neubaus, der Kroll-Oper, in Ergänzung der Volksbühne am Bülowplatz. Wiederum wurde Kaufmann mit der Aufgabe betraut, die sich aufgrund der schwierigen Finanzierungslage jedoch vom ersten Spatenstich am 23. Juni 1921 bis 1924 hinzog.

 

Die Fertigstellung des Baus durch die Volksbühne konnte jedoch nicht mehr geleistet werden, woraufhin der preußische Staat das Haus, die spätere Staatsoper am Platz der Republik, noch im Bau übernahm. So blieben die Volksbühnen-Mitglieder am Abend der Wiedereröffnung lediglich Zaungäste an einem Gebäude, das einmal ihr neues Haus werden sollte. Für die regulären Vorstellungen wurden jedoch ermäßigte Kartenkontingente für Volksbühnen-Mitglieder verabredet.

 

Die Inflationsjahre ließen Theaterbesuche für die unteren Einkommensschichten zu unerschwinglichem Luxus werden, Karten kosteten zu Spitzenzeiten zwischen 120.000 und 150.000 RM. Während es hier zu zahlreichen Austritten kam, drängten immer mehr klein- und mittelbürgerliche Gruppierungen in den Verein, die sich ebenfalls von der wirtschaftlichen Misere betroffen sahen und die regulären Preise nicht mehr zahlen konnten.

 

Im konfliktreichen Spannungsfeld zwischen ökonomischen Grundlagen und künstlerischer Freiheit kam es 1923 zum Rücktritt Friedrich Kayßlers. Nach vielen Diskussionen über die Nachfolge der künstlerischen Leitung fiel die Wahl auf den aus Stuttgart kommenden Fritz Holl. Er begann bereits in seiner ersten Spielzeit 1923/24 den Spielplan für neue Stücke zeitkritischer, moderner Dramatik zu öffnen, für die sein Vorgänger sich nicht offen gezeigt hatte. Ein Jahr später ging Erwin Piscator als Gastregisseur ein festes vertragliches Verhältnis mit der Volksbühne Berlin ein. In der Realität der Weimarer Republik bestimmte ein auf politische Neutralität und inhaltliche Unverbindlichkeit bedachter Kulturbetrieb die Situation. Piscator wollte dagegen ein Theater schaffen, das dem gemeinschaftlichen Zweck dient, eine im Aufsteigen begriffene Klasse mit dem Willen zur Veränderung der Welt geistig zusammen zu fassen.

 

Piscators Inszenierungen, die sich durch die überzeugte Verwendung modernster technischer Mittel zeitgemäß und zukunftweisend zeigten, gaben der Organisation gleichzeitig etwas von dem zurück, was einst zu den Zielen ihrer Gründung gehört hatte.

 

Nach einer ersten schweren, kriegsbedingten Wirtschaftskrise stabilisierte sich auch die Volksbühne im Zeitraum von 1924 bis 1926 wirtschaftlich. Zu jener Zeit erreichte die Zahl der Mitglieder mit 160.000 ihren Höchststand. Als riesige Mitgliederorganisation stellte sie im Berliner Kulturleben einen gewaltigen Machtfaktor dar und schien ihre Zielstellung, Kulturbringerin für die gesamte Volksgemeinschaft zu sein, erfüllt zu haben.

 

1927 kam es jedoch nach inflationsbedingtem Mitgliederrückgang und Befürchtungen von Seiten des Vorstandes, Piscator würde den Charakter einer überparteilichen Kulturorganisation verändern, zum Zerwürfnis. Ausschlag für den Eklat gab Piscators Inszenierung von Ehm Welks "Gewitter über Gottland", in der der bekannte Schauspieler Heinrich George Claus Störtebeker spielte. Der Vorstand warf Piscator vor, das Stück einer tendenziös-politischen Umdeutung, genauer einer unzulässig verallgemeinernden und provozierenden Darstellung "sozialer Revolution" unterzogen zu haben, die ihm weder immanent, noch gewünscht war. Die Aussage aus dem Manuskript Ehm Welks "Dieses Drama spielt nicht nur um 1400" wurde von Piscator als Rechtfertigung der Inszenierung benutzt. Sie leitete jedoch eine scharfe öffentliche Auseinandersetzung über Kunst und Politik ein, die außerhalb der Organisation hohe Wellen schlug und im Inneren zu einer großen Krise führte.

 

Bald darauf gründete der Kritisierte seine erste Piscator-Bühne im Theater am Nollendorfplatz, für die sogleich eine überwiegend auf junge Mitglieder ausgerichtete Sondergruppe der Volksbühne geschaffen wurde, die ihm auch im neuen Haus von Anfang an Stammpublikum garantierte.

 

Nachfolger Holls, der in Folge der Auseinandersetzungen 1928 zurückgetreten war, wurde Karl Heinz Martin, der bereits nach der Spielzeit 1931/32 seine Tätigkeit wieder beenden sollte.

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