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Kulturvolk Magazin

Kulturvolk Blog Nr. 71

Kulturvolk Blog | Reinhard Wengierek

von Reinhard Wengierek

27. Januar 2014

Schaubühne


Das gallebittere Drama der US-amerikanischen Autorin Lillian Hellmann (1905-1984) mit dem possierlichen Titel „The Little Foxes -Die kleinen Füchse“ handelt vom Zerfall einer Mittelstandsfamilie durch Gier und Verlogenheit. Das Konversationsstück von 1939 war trotz seiner ziemlich aufgesetzten Kapitalismuskritik der größte Erfolg der Politaktivistin; 1942 wurde er von Hollywood verfilmt mit Bette Davies in der Hauptrolle als kaltblütig siegreiche Lady Geldgier. Jetzt unter Regie von Thomas Ostermeier an der Schaubühne ist das Nina Hoss. Und ihre Mitspieler (als ihre Familienmitglieder) sind durchweg gleichermaßen stark und präsent: u.a. Ursina Lardi, David Ruland, Mark Waschke oder Thomas Bading.

 

Überhaupt: Die quasi Wiederentdeckung des nach wie vor aktuellen alten Reißers wird durch die so spannungsgeladene wie subtile Inszenierung und die beherrscht-minimalistische, dabei nuancenreiche Spielweise zum virtuosen Ereignis – eben als sinnlich packendes Einfühlungstheater, das in Berlin selten geworden ist, doch umso schmerzlicher vermisst wird von der durch allzu viele kopflastig theatralische Konstrukte genervten Publikumsmehrheit.

Ostermeiers bewundernswertes Kunststück ist freilich nicht denkbar ohne Jan Pappelbaums raffiniert gegliederte, tiefschwarze Riesenbühne (wer außer Frank Castorf oder eben Ostermeier könnte sie selbst mit eingeschränktem Personal derart spielerisch füllen). Und nicht ohne die suggestive Lichtregie von Urs Schönebaum, die Kostüme von Dagmar Fabisch und dem stimmungsstarken Soundtrack von Malte Beckenbach. Ein jedes Detail macht Sinn oder ist ein bezeichnender Scherz am Rande; faszinierend.

 

Und geradezu entsetzlich, wie sich da in kostbarer Schönheit lässig und genau ein Panorama des menschlich Hässlichen entfaltet, in dem blitzartig die Leidenschaften aufbrechen – Hass, Angst, Gewalt, Resignation   oder unterdrückt werden. Schmutzige Typen, glamourös verpackt. Höllische Abgründe gähnen in diesem vornehm gedämpft daher schwebenden Kammerspiel, das doch so dröhnt wie große Oper.

Gratulation - Christine Schorn

Papa nannte sie höhnisch „mein Ersatzreifen“, und die älteren Geschwister waren auch nicht immer nett. Überhaupt war es fürs Pummelchen einer Berliner Schauspielersippe nicht einfach, sich in ihrem Familientheater zu behaupten. Doch früh übt sich. Dennoch sagte die Schauspielschule erst mal „nein“. Und Christine Schorn begann, im Ostberliner HO-Warenhaus am Alexanderplatz Kühlschränke zu verkaufen. „Lief prima, ich konnte die Leute gut bequatschen.“ Danach, mit gerade 17, da klappte es mit der Schauspielschule.

 

Und drei Jahre später, mit druckfrischem Abschlusszeugnis, da rief auch schon – sensationell für eine Anfängerin   die DDR-Spitzenliga: Regisseur Friedo Solter von Berlins Deutschem Theater holte das zwanzigjährige Blondchen, das es doch ziemlich hinter den Ohren hatte, für ein sowjetisches Jugendstück über erste Liebesromantik und enthusiastischen Lebensaufbruch. Frech wurde gepfiffen auf Anpassung und Duckmäusertum, was bombig einschlug und ein Schuss war gegen DDR-Obrigkeitsstaaterei.

 

Friedo Solter mit leuchtenden Augen im Rückblick auf seinen damals frisch geborenen Star: „Die Tine war das pralle, junge Mädchen. Ein wirklich großes Talent mit einem ganz liebevollen Blick auf Menschen. Sie hat eine aggressive, aber auch lyrisch schwingende Sinnlichkeit, wie Anna Magnani…“ Hat sie bis heute. Und am ersten Februar wird Christine Schorn siebzig.

Was für eine Karriere! Immer oben an immer demselben Spitzentheater und immer mit dem Druck, Spitzenleistungen zu liefern; selbst in flauen Inszenierungen, sie war stets der funkelnde Lichtblick. – Das wollte durchgestanden sein. Allein in den letzten zwei Jahrzehnten spielte Christine Schorn am DT mehr als vierzig Rollen unter namhaftesten Regisseuren; dazu zahllose Filme. Etwa in „Frei nach Plan“ die Rolle einer widerspenstigen Mama im Clinch mit renitenten Töchtern, wankend zwischen bissigem Sarkasmus und verbissener Selbstbehauptung. Und in bittere Lebensverletzungen untergemischt eine süße späte Lebensgier. Das machte Lust auf mehr. „Mehr solche Rollen als alerte Alte am Rande des Schlaganfalls, als nervös Getriebene mit unverschämt lustvoller, womöglich viel krimineller Energie“.

Schorns spröder, zugleich betörend damenhafter Charme (keine kann wie sie ladylike „auf die Kacke hauen“), die so fesselnde Aura wächst aus ihrer Eigenart: einem unerhört spitzen Ton, Lakonie, lax weggesteckter Schmerzlichkeit sowie selbstverständlicher Souveränität. Und ihrem Komödiantentum. „Letztlich glaube ich, dass ich komisch wirke, weil ich tragisch bin.“ Tja, man muss sie einfach lieben.

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