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Kulturvolk Magazin

Kulturvolk Blog Nr. 195

Kulturvolk Blog | Reinhard Wengierek

von Reinhard Wengierek

23. Dezember 2016
HEUTE: 1. „Abschiedsdinner“ – Komödie am Kurfürstendamm / 2. Gedenken an Hans Pischner - Staatsoper / 3. „Pfusch“ – Volksbühne / 4. Zwischen den Jahren...

1.Kudamm-Komödie - Bissige Redeschlacht -- Ingolf Lück & René Steinke


Wer kennt das nicht: Man hat da eine Einladung oder man muss einladen uralte Freunde, ältere Bekannte. Aber eigentlich hat man überhaupt keine Lust dazu. Nein, nicht der Alltagsstress; vielmehr sind es die langjährigen, zuletzt immer missmutiger, nur noch routinemäßig gepflegten Bindungen, die zu Altlasten wurden, die man eigentlich loswerden möchte. Man hat sich nicht wirklich noch was zu sagen, langweilt sich miteinander, geht sich trotz aller Höflichkeiten mächtig auf den Keks. Doch aufzuräumen mit diesen ausgeleierten Beziehungen und einfach Schluss zu machen, das wiederum traut man sich auch nicht recht. Vertrackte Lage!

 

Das finden auch Peter und Katja, ein Mittelstands-Ehepaar in den mittleren Jahren. Aber jetzt endlich wollen sie raus aus der Misere, wollen ihr Geflecht aus Freundschaften optimieren und allem Abgelebten den Laufpass geben. Die radikale Lösung, die sie sanft verpacken, indem sie die Betreffenden einladen zu einem Essen, das aber insgeheim ein Abschiedsessen ist. Noch einmal, dann nie wieder. Bea und Anton sind die ersten Opfer, ein Paar, das aussortiert werden soll bei diesem Abschiedsfuttern. Doch Anton kommt – Überraschung! – ohne Bea. Und: Anton riecht den Braten, durchschaut das Spiel, fügt sich aber dem geplanten Rauswurf nicht. Und kämpft mit allen Mitteln um Wiederbelebung der komatösen Freundschaft. Wobei es hoch hergeht und allerhand unter den Teppich gekehrte Wahrheiten rigoros zur Sprache kommen.

 

Eine Therapiesitzung der etwas anderen Art hat das berühmte französische Autorenduo Matthieu Delaporte und Alexandre de la Patellière konstruiert für seine Komödie „Das Abschiedsdinner“ , in der ein saftiger Psychothriller steckt. Die beiden sprachmächtigen Dramatiker mit feinem Sinn für Aberwitz und Groteske greifen tief in des Lebens alltägliche oder nicht alltägliche Fülle. Und bringen mit Feingefühl wie auch Rücksichtslosigkeit die zunehmend brenzliger, für alle Beteiligten auch schockierender werdende Lage gehörig zum Krachen und Kochen. Zum Schluss steht man klüger, geläuterter, demütiger und auch wieder herzlich und lustvoll beieinander. Ein neues Miteinander ist angesagt.

 

Regisseur Jürgen Wölffer hat dieses komödiantische Lehrstück in Sachen Freundschaft mit gehörigem Tempo und gekonntem Mut zu krassen, bis ins Klamottige gesteigerten Ausfällen inszeniert. Eigentlich ist es ja eine heiß-kalte Zimmerschlacht zwischen den beiden sehr gegensätzlichen, trotzdem seit Urzeiten befreundeten Mannsbildern, dem eher biederen Peter (René Steinke) und dem eher durchgeknallten Anton (Ingolf Lück); Peters Ehefrau Katja (Rebecca Immanuel) füllt ihre undankbar dekorative Nebenrolle jedoch mit frechem Charme. Ein Glück für Jürgen Wölffer ist sein super Casting. Der Altmeister weiß natürlich, solch eine Redeschlacht geht nur mit Erstklassigen wie Lück & Steinke. Die beiden Stars haben starke Präsenz, setzen punktgenau Pointen, können rasen und plötzlich innehalten, sind schlagfertige, aber auch schlagkräftige Komödianten und wissen genau, wo und wie bei allem Hauen und Stechen das Tragische aufscheinen muss. Eine Silvesterrakete – und sehr viel mehr. Ein Stück zum Jahresende, das Türen aufstößt zu neuen Anfängen. (28.-30. Dezember; im Januar en suite bis zum 29.1.)

2. Die Staatsoper gedenkt Hans Pischner

An seinem 100. Geburtstag gab das überfüllte Foyer des Schiller-Theaters den festlichen Rahmen für eine herzbewegende Feier für Hans Pischner, der von 1963 bis 1984 Intendant der Deutschen Staatsoper Unter den Linden war. Jürgen Flimm nahm damals das Wort und Daniel Barenboim gab mit Mitgliedern der Staatskapelle den ersten Satz von Schumanns Klavierkonzert. Am Ende erhob sich der Jubilar, eine kleine, gebeugte Gestalt mit Spazierstock, und zeigte sich in seinem Dank im Vollbesitz der nüchtern-herzlichen Geistesgegenwart, die ihn durchs Leben begleitete.

 

Hans Pischner, von Haus aus Musiker (ein führender Cembalist seiner Zeit) mit hohem Sachverstand bezüglich Kunst und Kunstbetrieb und obendrein leutselig und begabt auch in der Kunst der Diplomatie (immerhin blieb er schon kraft seines Amtes eingebunden in die Spitze des DDR-Staatsapparats), Pischner übernahm die Lindenoper in schwierigster Zeit, formte nach dem Mauerbau aufs Neue das zerschlagene Ensemble, schützte sein Institut vor schlimmsten Querschlägen der Ideologie-Bürokratie und hielt es, alles in allem, auf der Höhe, die ihm allein schon aufgrund der Tradition zusteht. Dafür erhielt er den Vaterländischen Verdienstorden sowie das Bundesverdienstkreuz.

 

Nun ist im Herbst, am 15. Oktober, Professor Hans Pischner im gesegneten Alter von 102 Jahren gestorben. Die Staatsoper, der Pischner zwei Jahrzehnte lang mit glücklicher Hand prägend vorstand, lädt für den Nachmittag des 29. Dezember um 16 Uhr zu einer Gedenkfeier ins Foyer des Schiller-Theaters.

3. Volksbühne - Trockenübungen erst am Klavier, dann im Schwimmbecken

Kürzlich sagte Noch-Volksbühnen-Chef Frank Castorf einer Berliner Zeitung über seinen Nachfolger, vielleicht werde der großen Erfolg haben und könne – ein Löffel Gift für Chris Dercon – zum prima Anhängsel der Tourismusbranche aufsteigen. Ansonsten mag man ja aus der Volksbühne problemlos eine Badeanstalt machen. Damit wiederholt sich Castorf. Schon vor 24 Jahren, als der Weltglanz dieses Theaters noch in den Sternen stand, meinte der damals frisch installierte Intendant, entweder sei in Kürze sein Haus berühmt oder tot. Und dann kam das mit dem Schwimmbad…

 

Jetzt hat uns in der Volksbühne der große, von jeder Kritik gebumsfiedelte Abstraktions-Nonsens- und Slapstick-Regie-Künstler Herbert Fritsch vor seinem Abgang nach nebenan an die Schaubühne seine in Rot-Gelb-Grau getauchte Abschiedsinszenierung vorgesetzt; Motto: „Pfusch“ .

 

Sie hat zwei szenische Grundideen: Einmal eine atonale Session mit zehn Klavieren. Auf die hämmert variantenreich und im Staccato das opulente Ensemble ein. All die im Rhythmus perfekten Einschläger sind, ob Männlein oder Weiblein, verpackt in bonbonfarbene Kleidchen und haben Gretel-hafte Perücken auf den geschminkten Kindsköpfen. Und die performen unentwegt ein Grinsen und Grimassieren. Geht etwa eine reichliche halbe Stunde und ist so originell nicht, sondern bei Christoph Marthaler abgeguckt und von Fritsch ordentlich breit gewalzt.

 

Die andere Idee ist von Castorf: Ein Loch in der Bühnenmitte wird eine kleine Ewigkeit lang gefüllt mit blauen Schaumbällen und somit umgerüstet zum – richtig! Schwimmbecken. Jetzt also nach dem Klavier-Hack eine gute halbe Stunde Badespaß. Als witziger Wink in die Zukunft. Hat doch die amtierende Kulturverwaltung öffentlich gefordert, man müsse die Volksbühne jetzt weiterdenken.

 

Den Rest des 100-Minuten-„Pfuschs“ füllen akrobatische Übungen an und mit einer rollenden Riesenröhre. Kennen wir längst aus allen anderen Fritsch-Performances und begreifen: Der Mann klemmt fest im Dauermodus Selbstzitat: Seine Slapstickiaden bis zur Besinnungslosigkeit ausgeleiert in ständiger Wiederholung. Man ist geneigt, besagtes Politiker-Wort vom Weiterdenken an Herbert Fritsch weiterzugeben. – Doch der hat vorgesorgt im Werbeblatt der Volksbühne. Dort heißt es, ihm gehe es nicht darum, einen intelligenten Themenabend zu Pfusch zu entwickeln. „Alles Ordentliche, Wohltemperierte, Virtuose, dramaturgisch Richtige, genau Konstruierte ist nicht gewollt und nicht zu erwarten.“ Sollte im koketten Understatement das Gegenteil gemeint sein, war der Abend verpfuscht. Ansonsten gilt: Plansoll an Pfusch erfüllt! – Womöglich aber gibt es an Silvester eine hübsche Planübererfüllung und das tolle Ensemble lässt die Dressurakte beiseite und dafür die Sau raus und zeigt frei tobend und trällernd, was es alles wirklich drauf hat. Einmal wenigstens!

(wieder am 31. Dezember; 10., 18. Januar)

4. "Zwischen Weihnachten und Silvester". Von Renate Hoffmann

Gans hinter mir / Karpfen vor mir / Punsch in mir / Sternhimmel über mir / Glatteis unter mir / und neben mir... / mutter- und vaterseelenallein ein Fetzchen Weihnachtspapier.

Wickeln wir einen Wunsch drin ein und werfen ihn in den Himmel hoch.

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