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Kulturvolk Magazin

Kulturvolk Blog Nr. 175

Kulturvolk Blog | Reinhard Wengierek

von Reinhard Wengierek

30. Mai 2016
HEUTE: 1. „Wallenstein“ – Schaubühne / 2. Naturkundemuseum – Ausstellungstipp

1. Schaubühne


Bühne wie Zuschauersaal sind ein von Rauch durchzogener Riesenbunker. Ein einziges Nacht- und Nebelloch. Ein vergittertes Gefängnis. Ein schwarzer Endzeitbunker. Alles beginnt aus dem Off mit gefährlichem Krachen, Detonationen, mit ab- und anschwellendem Dröhnen, als kreisten Kampfhubschrauber über dem Saal (Bühne: Olaf Altmann; Musik: Bert Wrede). Es ist die unheimliche, bedrohliche, gewaltbeladene Atmosphäre des Krieges. Sie beherrscht vom ersten bis zum letzten Moment die „Wallenstein“- Inszenierung von Michael Thalheimer.

 

Thalheimer ist unser unvergleichlicher Meister im Verdichten, im Zusammenballen und Überlebensgroß-Machen: Es gibt da die suggestive Grundstimmung, die die ganze Aufführung beherrscht, und es gibt den aufs Essentielle komprimierten Text, der sich durch signifikante Gestik und starke Rhetorik der Schauspieler ins Monumentale steigert. Und so dauert dieser „Wallenstein“ nur drei Stunden. Doch die haben es in sich …

 

Wir erinnern uns: Einst inszenierte Peter Stein alle elf Akte in rund zehn Stunden historisch korrekt kostümiert mit Klaus Maria Brandauer in der Titelrolle in einer Neuköllner Brauerei. Jetzt ist von Friedrich Schillers Dreiteiler, an dem er ein Jahrzehnt lang schrieb und der 1798/1799 in Weimar uraufgeführt wurde, das Vorspiel „Wallensteins Lager“, das die tumultarischen Exzesse der Soldateska im Dreißigjährigen Krieg ausmalt, gestrichen. Thalheimer konzentriert sich auf „Die Piccolomini“ und „Wallensteins Tod“. Gewiss, das politisch-militärische Macht- und Intrigenspiel wird stringent durchgespielt. Wir sehen einen quasi in Agonie erstarrten Wallenstein, der sich als Feldherr auf nichts mehr verlassen kann; nicht auf seine Familie, seine Generäle, nicht auf seinen Kaiser, nicht auf die Schweden und schon gar nicht auf seine Macht und seinen fatalen Glauben an die Gunst der Sterne.

 

Das verworrene Drama des vielseitigen Bruchs von Treue und des Verlusts von Gewissheiten, das wird zwar geschickt verknappt aber dennoch exakt durchexerziert (Dramaturgie: Bernd Stegemann). Doch das eigentliche Interesse der Regie liegt ganz offensichtlich nicht am Ausmalen des so wirren wie verzweifelten Hin und Her der Interessen und Bündnisse, sondern in der schier überwältigenden Imagination des Kriegs als dem Vater allen Grauens, dem sich die Menschheit seit Menschengedenken so befremdlich lustvoll hingibt. „Dem bösen Geist gehört die Erde, aus Gemeinheit ist der Mensch gemacht.“ Dieser Satz gibt gleichsam das Motto für Thalheimers kühne Reduktion auf drei Stunden. Eine überaus starke, auch stark zeitgenössische Setzung. Sie gibt der kunstvoll ins Abstrakt-Expressive gesteigerten Inszenierung ihre enorm zupackende, überzeugende Kraft.

 

Und die gibt es nicht ohne starke Spieler, die, blutverschmiert und stets im nebligen Hintergrund ihrer Auftritte harrend, dann jeweils an der Rampe frontal ihren Text ins Publikum schleudern. Gerade auch darin liegt ein (heutzutage selten gewordener) Vorzug dieser Inszenierung: Die Fokussierung auf die so einzigartige Wucht des Worts; auf Schillers „dramatisches Gedicht“.

 

In dessen Mittelpunkt: Ingo Hülsmann als Wallenstein, als äußerlich abgewrackt aristokratischer Generalissimus; die Orden klimpern, die lädierte Uniform schlottert um seinen freilich immer noch sehnigen Leib. Er hockt lange Zeit wie ein verunsicherter Hamlet in seinem Stuhl und grübelt darüber, was wohl zu tun sei, um endlich Frieden zu schaffen (aber mit Waffen!). Um endlich nach der Krone und womöglich nach der Macht in Europa greifen zu können. Und dennoch: Ein innerlich längst abgewrackter, vom bösen Geist der Welt und von der Gemeinheit der Menschen angewiderter, schwer melancholischer Feldherr, dessen einstiger Ruhm längst verblasst ist. Unversehens explodiert dieser „phantastische Geist“ (Goethe über diese schwer ambivalente Schiller-Figur), der vom Idealischen träumt und ins Verbrecherische treibt. Macht sich schließlich Luft durch von Hellsicht und Verzweiflung geprägte Raserei. Ein beinahe schon irrer, irr gebrochener tragischer Held; freilich völlig frei von probat tragischen Posen, der nur allzu genau das verhängnisvolle Auseinanderfallen von Plan und Praxis, Pflicht und Recht, Neigung und Sachzwang begreift – und damit seinen Untergang. Er schaut entsetzlich klaren Kopfes in den entsetzlichen Abgrund, dem er sich mit letzten Kräften überlebenskrampfig entgegen stemmt. In dem er aber dennoch umkommen wird am mörderischen Ende. Hülsmann entrollt die Anatomie eines fürchterlichen Endspiels. Großartig. Grässlich. Als alles vorbei ist, weht kühler Regen über stille Düsternis in fahlem Licht. Was für ein Bild. Ein Menetekel, allzeit gültig.

(wieder am 10., 11., 12. Juni, 12.-14. Juli)

2. Naturkundemuseum mit Mega-Gerippe - Ausstellungstipp

Sie sind die erfolgreichste Wirbeltiergruppe, die je gelebt hat. Vor 220 Millionen Jahren trat sie an, im Erdmittelalter, genannt Trias. Und viele Millionen Jahre lang blieben die Saurier die Herrscher der Erde (den Menschen gibt es seit zwei Millionen Jahren). Es gab sie von ganz klein wie etwa ein Huhn heutzutage bis ganz groß, etwa 40 Meter. Dann starben die sagenhaften Viecher nach 150 Millionen Jahren (!) geradezu schlagartig aus. Überall verstreut liegen noch heute ihre versteinerten Reste im Boden. Danach wird weltweit gesucht; die einschlägige Branche boomt nicht erst seit Stephen Spielbergs „Jurassic Park“. Immer wieder wird etwas gefunden. Das Naturkundemuseum in der Invalidenstraße zeigt in seiner zentralen Ausstellungshalle allerhand davon, sensationelle Gerippe von riesig bis winzig. Tolles archäologisches Theater!

 

Und dann noch dazu einen spektakulären Neuzugang: „Tristan“. Der fleischfressende Raubsaurier mit dem stärksten denkbaren Biss (die monströsen Säbelzähne wuchsen immerzu nach, allein sein Kieferknochen wiegt 200 Kilo) wurde 2010 in Montana/USA gefunden. Er gilt als weltweit besterhaltener Tyrannosaurus Rex, 170 seiner 300 Knochen sind original. Das Monster-Gerippe beherrscht nun einen Nebensaal des Museums – und sorgt immer wieder für Schlangen an der Ticket-Kasse. Besitzer dieses T-Rex „Tristan“ ist der in London lebende dänische Multimillionär Niels Nielsen, der diesen Dino – zwölf Meter lang, vier Meter hoch dem weltberühmten Berliner Museum drei Jahre lang für Forschungszwecke ausgeliehen hat. Und fürs staunende Publikum.

 

Deutlich kürzer ist das Berliner Gastspiel eines etwa 100 Millionen Jahre alten Spinosaurus aegyptiacus, dessen Skelett von Forschern aus Chicago rekonstruiert wurde und das – als Nachbar von Saurus Rex – in einer Sonderausstellung gezeigt wird. Achtung: diese endet am 12. Juni! Und am 11. Juni haben Nachtvögel Gelegenheit, das 15-Meter-Monstrum während der Langen Nacht der Wissenschaften zu inspizieren; nach dem 12. Juni reist der Aegypticus zu seiner Ausstellung nach Barcelona.

 

Nebenbei bemerkt: Neben der Dino-Schau gibt es die nicht minder sagenhafte, grandiose historische Mineraliensammlung – funkelnde, schimmernde Kostbarkeiten aus Stein hingebreitet in edlen alten Regalen Dino-haften Ausmaßes. Auch ein Hingucker, den man nicht versäumen darf.

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