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Kulturvolk Magazin

Kulturvolk Blog Nr. 134

Kulturvolk Blog | Reinhard Wengierek

von Reinhard Wengierek

8. Juni 2015

Theater ein Fest!


Im Juni vergangenen Jahres dachte ich: Wow! Diese Fülle von Informationen, diese Verschiedenartigkeit künstlerisch superber Vorträge – überhaupt dieser herrlich bunte Theater-Rummel mit frohgemuten Besuchern und wonniglichem Amüsement aller Arten bis hin zum Futtern, das alles ist nicht zu toppen. Doch jetzt, bei der Vorschau aufs kommende Sommerfest der Freien Volksbühne, da muss ich sagen: Wird noch größer, schöner, toller. Wird gleich ein ganzes Ruhrstraßenfest (teilweise Straßensperrung) mit massenhaft Zusagen der theatralen Betriebe Berlins (Infostände und Künstlerzelt mit knapp sieben Stunden Programm), daneben ein Kinderparadies (auch im Zelt, nur etwas kleiner). Alles in allem eben Remmidemmi von nachmittags um vier bis nahe Mitternacht im großen Kreis rund ums Haus Ruhrstraße Nr. 6. Wer’s verpasst, ist selber schuld, das Kommen ein Müssen. Freuen wir uns auf den 13. Juni!

Autorentheatertage 2015

Jedes Jahr hat die Hauptstadt ihr zweites Theatertreffen, auch wenn das nicht so heißt. Genau einen Monat nach Ende der regelmäßig umstrittenen deutschsprachigen Leistungsschau im Festspielhaus Schaperstraße im Mai, bei der es um die „bemerkenswerte“ Regieleistung geht (so manches, was die Auswahl-Jury entzückte, ließ aber das Publikum eher kühl), kommt jetzt im Juni das Theatertreffen Nr. 2 ins Deutschen Theater. Es nennt sich „Autorentheatertage Berlin“.

 

Und es geht dabei um neue Stücke aus den deutschsprachigen Schreibwerkstätten sowie deren Inszenierungen. Das Sagen hat eine Jury: der Buchautor (großartige Kleist-Biografie!) und Theaterkritiker Peter Michalzik, die Hamburger Regisseurin Jorinde Dröse (am DT "Woyzeck"), die Autorin Nino Haratischwili sowie der DT-Star Ulrich Matthes. Das Quartett hatte die Qual der Wahl, aus 217 (!!) eingesandten Texten vier heraus zu picken; die Jungschreiber werden offensichtlich nicht müde, fürs geliebte Theater zu dichten. - Michalzik: „Es ging uns jetzt nicht mehr darum, auf einzelne Stücke aufmerksam zu machen, Talent zu fördern, Verborgenes zu entdecken. Sondern darum, die Entwicklung des Dramas als Kunstform zu befördern, neu zu denken und in den Fokus zu rücken.“ Deshalb kein Allein-Auswähler mehr, sondern ein Gremium mit Leuten verschiedener Profession und unterschiedlichem Erfahrungshorizont. Deren Haupt-Auswahlkriterium war die Qualität der „Bühnensprache“, der kunstvolle sprachliche Ausdruck des Theaters. Es geht also um ein Zurück zu seinen Wurzeln. Ziemlich spannend.

 

Außerdem: Es gibt auch keine improvisierten Werkstattinszenierungen mehr, wie sonst immer, sondern vier fertige Uraufführungen entsprechend der Jury-Auswahl. Die werden im DT präsentiert, das eine Produktions-Kooperation einging mit zwei Hochleistungsbetrieben der Szene, dem Burgtheater Wien und dem Schauspielhaus Zürich. Gerahmt wird der Novitäten-Vierer mit einem Dutzend Gastspieleinladungen von Produktionen neuer Stücke u.a. aus Graz, München, Halle, Dresden, Amsterdam, Köln, Frankfurt, Münster. Sattes Programm; einzigartige, ja sensationelle Gelegenheit, in zwei Wochen auf einen Schlag zu inspizieren, was sich so tut auf dem riesigen, einigermaßen unübersichtlichen Markt der theatralen Neuigkeiten – Sprachkunst inbegriffen. (13. - 27. Juni in allen DT-Spielstätten)

Schönes Buch zum Schauen, Erinnern, Bedenken - Die große Berliner Theaterfotografin Maria Steinfeldt

Im Archiv der Akademie der Künste (wache Volksbühnenmitglieder wissen: unter Obhut des fabelhaften Herrn Dörschel), dort lagert, perfekt sortiert in Kartons und hoch gesichert, das Lebenswerk der Theaterfotografin Maria Steinfeldt. Es sind 36 so genannte laufende Regalmeter mit u.a. 213 000 Negativen, größtenteils schwarz-weiß, der Anteil an Farbfotos beträgt etwa 14 Prozent, mit 1500 Dias, 8000 Kontaktbögen schwarz-weiß, 1000 Kontaktbögen in Farbe sowie 30 000 Abzüge und Porträtfotos von 70 Einzelpersonen. – Was für ein Schatz!

 

Maria Steinfeldt, geboren 1935 im Mecklenburger Landstädtchen Gnoien, erlernte dort in einem privaten Fotoladen ihr Handwerk (Gesellenprüfung); machte anschließend Abitur an der Rostocker Arbeiter- und Bauernfakultät, um von 1958 bis 1963 an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig Fotografie zu studieren (sieben Tage Aufnahmeprüfung, so war das damals; Maria wurde sofort angenommen). Ihre Diplomarbeit ist eine Fotodokumentation von Brechts „Die Tage der Commune“ am Berliner Ensemble (Regie: Wekwerth/ Tenschert).

 

Fotodokumentation, das war seinerzeit noch etwas Besonderes. Üblich war (und ist es bis heute!) in der Theaterfotografie, effektvolle Szenenfotos oder Schauspielerporträts herzustellen (teils extra gestellt) für Werbung und Presse. Nicht sonderlich interessant für die Steinfeldt. Ihr lag vielmehr an der detaillierten Dokumentation des gesamten Prozesses der Herstellung einer Inszenierung, von der Entwurfsphase, von den ersten Proben bis hin zur Premiere und wenn es sein muss danach, falls geändert wird wie beispielsweise oft bei Regiearbeiten von Einar Schleef. Das entsprach in etwa der Forderung Brechts nach Modellbüchern, in denen Inszenierungen quasi Schritt für Schritt bildlich (und mit Notizen ergänzt) festgehalten sind. Und das ging zugleich über Brecht hinaus. Durch die kontinuierliche Beobachtungen auf Proben, durch die Raumdarstellungen in Verbindung mit den meist immer wieder geänderten szenischen Abläufen entstand ein besonders lebendiges Gesamtbild vom Arbeitsprozess; die von Brecht beklagte „Statik“ des Modellbuchs wurde überwunden. Was man dazu braucht, abgesehen von der genauen Kenntnis des Stücks und möglichst noch der Eigenartigkeiten des Regisseurs, ist ein geschärfter Blick für den besonderen Moment. Steinfeldt lakonisch: „Immer wieder gucken, gucken, gucken, einen Riecher entwickeln, richtig abpassen.“ Und viel, viel Zeit investieren. An ihrer Diplomarbeit hatte die Studentin fast ein Jahr gearbeitet; man probte ja seinerzeit am privilegierten BE unglaublich ausführlich. Freilich war eine derartig aufwändige Arbeitsweise (und immer nachts im Labor) mit langfristigen Bindungen an ausgewählte (und hoch berühmte) Regisseure nur in freischaffender Tätigkeit möglich. Ums große Geld ging's da freilich nicht, als Broterwerb fotografierte Steinfeldt noch für Industrie und Werbung.

 

Der professionell geschärfte, hoch konzentrierte „Theaterblick“ war, nebenbei bemerkt, nicht allein aus künstlerischen, sondern auch aus technischen Gründen notwendig. Steinfeldt arbeitete (bis zur Wende) mit Klein- und Mittelbild, mit „Pentacon Six“, meist mit drei einsatzbereiten Apparaten, zunächst mit Filmen für 12, später für 24 Aufnahmen. Da war nichts mit dem heutzutage üblichen „Klack-klack-klack“ und der sofortigen Bildkontrolle; digitale Systeme kamen erst sehr viel später. Somit war Konzentration Arbeitsvoraussetzung. Eben der „Riecher für die richtigen Momente“.

 

Die jetzt 80 Jahre alte Maria Steinfeldt arbeitete vornehmlich für die Leistungsspitze der Ostberliner Theaterszene (Staatsoper, Komische Oper, BE, Deutsches Theater mit Protagonisten wie u.a. Berghaus, Konwitschny, Dresen, Besson, Müller, Schleef, Karge, Tragelehn, die Langhoffs). So entstand in den Jahrzehnten eine das Wesentliche erfassende Dokumentation der DDR-Theatergeschichte; teils aber auch darüber hinausgehend bezüglich der „West“-Arbeiten von DDR-Regisseuren.

 

Einen leider auf bloß 150 Seiten beschränkten Einblick in die so besonders detailreiche Arbeit dieser einzigartigen Fotografin gibt ein soeben bei Theater der Zeit erschienener großformatiger Bildband „Das Bild des Theaters. Szenenfotos und Porträts 1963 – 2003“; herausgegeben von Thomas Irmer im Auftrag der Berliner Akademie der Künste und ergänzt mit einem aufschlussreichen Interview Irmers mit Maria Steinfeldt sowie einem kleinen, poetisch jedoch weit schwingenden Essay von Friedrich Dieckmann. Ein schönes Buch – köstliche Erinnerung und leuchtendes Beispiel in einem.

Liebe Freunde, liebe Leser, wieder geht eine Spielzeit zu Ende. Im Spind stapeln sich die vollgekritzelten Spiralblöcke, der Sommer grüßt, es naht die schöne Ferienzeit auch ich mach jetzt mal Pause. Und schau mich um, vielleicht auf Freilichtbühnen; ganz privat. Im September steh ich mit leerem Schreibblock wieder auf der Matte, sitz‘ unverdrossen in Theatern, hock‘ mit Fleiß am Schreibgerät. Bis dahin alles Gute! Mit einem Gruß von Wilhelm Busch:

 

Mach dich auf und sieh dich um,

Reise mal’n bissel rum.

Such mal dies und sieh mal das,

Und pass auf, du findest was…

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