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Kulturvolk Magazin

Kulturvolk Blog Nr. 100

Kulturvolk Blog | Reinhard Wengierek

von Reinhard Wengierek

13. Oktober 2014

Hundert Mal Spiral-Block-Blog!


Vor zwei Jahren im Herbst fing ich damit an; mit meinem – seit Jugendtagen – Lieblingstheater. Dem von Zeitläuften wie Intendanten ach so geplagten und (zuweilen) in den Weltruhm gefeuerten Deutschen Theater in der Schumannstraße 13a. Dort saß ich einst, lang ist’s her, in der Portierloge, kontrollierte nächstens die Feuermelder, schwadronierte einsam und selbstvergessen lauthals auf der Bühne, dort wurde ich theatermäßig sozialisiert (und ein bisschen nebenan im BE).

 

 

Also mein erster Text als Blogger der Freien Volksbühne kam am 17. September online; es war der Saisonstart anno 2012: „Ödipus Stadt“ im DT, mit Ulrich Matthes und dem unvergessenen Sven Lehmann. Ein Kompakt-Thriller aus Werken der ewig lebendigen antiken Autoren Sophokles, Aischylos, Euripides. Der spielplanerische Zufall warf mir dieses tolle Geschenk in den Laptop. Und ich verneige mich bei dieser Gelegenheit vor dem Dramatiker-Trio in Verehrung, in unauslöschlicher Liebe.

 

Doch jetzt, zum Hundertsten, ist die Schwester des Schauspiels dran: die Oper. Mein anderer Favorit, gleichfalls seit Jugendtagen, nämlich die Staatsoper Unter den Linden (Komische Oper, später dann Deutsche Oper, bitte nicht böse sein!). Und wenn das wie auch immer auf den Bühnen gesprochene Wort nicht mehr recht auszuhalten ist und die Seele Nahrung sucht in der Musik, dann sage ich mir in Umkehrung des bissigen Wortes vom alten, graubärtigen Sir Morosus über die Musik in der „Schweigsamen Frau“ von Richard Strauss, wie schön das Getön zwar sei, doch wie noch viel schöner es sei, wenn es denn endlich aufhöre. Denn dann wird im Parkettsessel unserer Schauspielhäuser meine Sehnsucht nach Musik über-übergroß…

Also: Es lebe der Singsang; es lebe die Melodei, die Oper, das musikalische Drama! Immerzu! Und wie gesagt erst recht dann, wenn es im Schauspiel, dem Drama in Worten, nur noch verquatscht zugeht. Ein Hoch also auf die Deutsche Staatsoper an der Allee voller Linden! Ein Baustellenbesuch.

Mit blauem Schutzhelm und schweren Bauarbeiterschuhen in der teils völlig entkernten Berliner Staatsoper

O ja, alle Welt meckert über diese Baustelle: Ach, diese Staatsoper!!

 

Und wirklich, die Planung des Projekts „Sanierung Deutsche Staatsoper Berlin Unter den Linden“, die war unglaublich dilettantisch. Und das bei einer Sache von nichts weniger als weltweiter Bedeutung.

Das Dilemma begann schon mit der unseligen Übernahme der Bauherrenschaft durch den völlig überforderten Senat samt seiner überhaupt wenig wirksamen Senatsbaudirektorin. Hätte man doch nur diese hoch komplexe Aufgabe an internationale Fachkompetenz übertragen! Aber damals war man sich ja überhaupt nicht im Klaren darüber, welche Dimensionen dieses anfänglich schlicht als „Sanierungsprojekt“ gedachte Ding einmal annehmen würde, das sich im Lauf der Zeit zum Projekt gleich für mehrere eigentlich gänzlich neue Hoch- und Tiefbauobjekte streckte.

 

Inzwischen wissen wir: Es gibt den von Daniel Barenboims supertollem amerikanischen Architektenfreund Frank Gehry angeblich kostenlos entworfenen Konzertsaal für die Akademie der Barenboim-Said-Stiftung; es gibt einen auf denkbar unpässlichem, nämlich seit jeher moddrigen Gelände ausgeführten Tunnel für die Belieferung der Kulissen; es gibt den auch öffentlich nutzbaren Staatskapellen-Probensaal. Und es gibt einen wunderschönen, gleichfalls öffentlich nutzbaren, idyllischen Innenhof sowie das künftig jedermann offen stehende, deutlich vergrößerte Casino.

 

Die Angelegenheit ist also mittlerweile ins Gigantische gewuchert – aber eben auch ins Großartige, Sensationelle, Einmalige, was bislang unbegreiflicherweise nahezu verschwiegen wurde. Freilich sind da alle bisherigen Kostenrechnungen und Fertigstellungstermine Makulatur.

 

Also eine Baustellenführung (Telefon zur Buchung von Tickets für 15 Euro: 2035 45 55). Und erst dabei kapiert man wirklich: Wenn alles so wird, wie gedacht, dann ist die Lindenoper nicht einfach ein quasi in letzter Minute vor dem baulichen Zusammenbruch bewahrtes historisches Theatergebäude, sondern ein mit allen Schikanen ausgestattetes großes Zentrum für Konzert und Musiktheater. Und das in Nachbarschaft zu Konzerthaus und Musikhochschule am Gendarmenmarkt. Denken wir uns noch die Philharmonie dazu und die anderen beiden Opernhäuser (und obendrein die Neuköllner Oper), steht Berlin supertoll da. Das ist doch was! Und das freilich wird Betriebskosten verschlingen, die Berlin allein niemals wird stemmen können. Da wird man nochmals angestrengt über Geld nachdenken müssen. Doch was wir dann haben werden, ist eine Verlockung – letztlich eine für alle Welt; ist ein identitätsstiftendes Projekt von nationaler wie internationaler Bedeutung.

 

Es wäre unverantwortlich kurzsichtig zu sagen (was nicht wenige tun): Spart das Projekt Staatsoper zusammen und gebt beispielsweise dem Off die frei werdende Knete. Doch eine in Jahrhunderten gewachsene Hochkultur verödet ohne Luxusprojekte, die nebenbei gesagt jedem bei vergleichsweise moderaten Ticketpreisen zugänglich sind.

 

Ja: Der Staatsopern-Komplex Unter den Linden ist ein Luxusprojekt. Schon im Rohbau wird das deutlich. Ich stieg in die tiefsten Tiefen und kletterte auf höchste Höhen; war im Keller und auf dem Dach. Habe gesehen, wie man penibel das alte Stuckwerk von 1950 erhält, wie unzählige historische Teile nach dem „Aussägen“ eingelagert sind und habe sogar die den Kronleuchter umrahmende Decken-Rosette zärtlich angefasst (sie lagert jetzt, aufgeschnitten wie eine Torte, in einem Zwischenlager etwa in Höhe des ersten Rangs) – ein starker Kitzel. Ach, es wird eine tolle Hütte, leider auch künftig ohne Stehplätze, dieser so demokratischen Einrichtung (beneidenswert die Wiener Staatsoper mit seinen hunderten Drei-Euro-Stehplätzen).

 

Doch vieles, was da gänzlich neu gebaut wird im Bühnenhaus und Intendanz-Gebäude, ist ziemlich aufwändig aber völlig unspektakulär: etwa Personenaufzüge, endlich größere Toiletten, die Damen brauchen künftig die Opernpausen nicht mehr in der Warteschlange vor der Klotür verbringen; oder die technische Ausstattung für den hochmodernen, komfortablen Backstagebereich. Löblich, dass die Operndirektion (Jürgen Flimm wohl als Motor) und die so unmöglich zögerliche Senatsbaudirektion sowie die Baustellenleitung begriffen haben, dass man der Öffentlichkeit diese berühmte, großartige und in jeder Hinsicht teure Baustelle nahe bringen muss. Ein Blick hinter die Kulissen, damit endlich den Berlinern und aller Welt und allen Skeptikern einigermaßen begreiflich wird, in welchen Dimensionen und für welche wahrlich großen Ziele hier gewerkelt wird. Man staunt und freut sich.

 

Und darf dankbar sein, dass die Ruinen dieses herrlichen Hauses nach dem Zweiten Weltkrieg nicht wie die des Hohenzollernschlosses brutal abgeräumt wurden. Nur allzu gern hätten damals die "führenden" Parteigenossen die „aristokratische Kunstbude“ getilgt; DDR-Präsident Pieck verhinderte es letztlich mit seinem Machtwort. Und nun wird die vom Hofbaumeister Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff (1699-1753) errichtete Kostbarkeit quasi zum zweiten Mal erbaut, nachdem sie DDR-Stararchitekt Richard Paulick (1903-1979) aus den Trümmern wieder errichtete. Und man darf sagen: Bei all dem grandiosen Drumherum dieses neu entstehenden Riesenapparats sein Herz ist nach wie vor und hoffentlich für immer des Großen Friedrichs wundersames „Zauberschloss“.

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